Ludwig van Beethoven Complete Works for Solo Piano - Vol. 9
BIS 1672
1 CD/SACD stereo/surround • 61min • 2008
20.09.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ganz ungezwungen bewegt sich Ronald Brautigam durch Beethovens gesamtes Soloschaffen und präsentiert auf CD Nummer 9 eine Kollektion von Frühwerken, die man wohl eher mit Klavierunterricht als mit großer Kunst in Verbindung bringt. Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist eine hervorragende Aufnahme geworden. Brautigam gelingt es durch sein uneitles Spiel, das hoher stilistischer Reinheit verpflichtet ist und gleichzeitig immense musikantische Freude verströmt, uns einen berührenden Eindruck von den Zeiten zu geben, in denen der große Beethoven einfach der junge Ludwig war. Einen erheblichen Anteil daran hat auch das hervorragend aufgenommene Hammerklavier (die Kopie eines Stein-Flügels von 1788), dessen große Farbpalette von lautenhafter Schwerelosigkeit bis zu beinahe physisch spürbarer metallener Härte reicht.
Im Mittelpunkt stehen die drei sogenannten Kurfürstensonaten WoO 47, der wohl erste geglückte Versuch Beethovens in der größeren Form. Die Zutaten sind deutlich herauszuhören und entsprechen vollkommen der damals allgemein verbindlichen musikalischen Sprache: Dreiklangsketten, Tonleitern, Albertibässe und Quintfallsequenzen, verpackt in einen eher kleingliedrigen periodischen Aufbau mit einer kaum jemals den Tonika-Dominant-Bereich verlassenden Harmonik. Es braucht schon einen meisterhaften Interpreten, um zu zeigen, dass Jung-Beethoven seinen Sonatenstudien trotzdem eine ordentliche Prise Sturm und Drang mitgab und bereits als 13jähriger einen sicheren Instinkt für dramatische Gestaltung hatte.
Ronald Brautigam gelingt das vor allem durch seinen energiegeladenen Zugang: Die Tempi sind straff, der Puls atmet unbelastet von falschen Rubati, die motorischen Figuren werden klar strukturiert und auf eine maximale Spannungskurve getrimmt. Den langsamen Sätzen verleiht er durch sein erfülltes Ausmusizieren eine Würde, die in ihrer Schlichtheit ergreift. Brautigam nimmt die Kurfürstensonaten genauso ernst wie die großen 32 und ermöglicht so eine spannende und lehrreiche Begegnung mit Werken, die nicht nur aus biographischer Sicht die Beschäftigung wert sind. Im Kopfsatz der f-Moll-Sonate zum Beispiel experimentiert Beethoven mit einem anderen Formmodell und gewinnt enorme Wirkung aus der verdoppelten Abfolge langsam/schnell – das ist einfach wunderbar gemacht. Einzig Brautigams identisches Wiederholen jedes Abschnitts wäre vielleicht nicht immer nötig gewesen, da weder Komponist noch Interpret beim zweiten Mal etwas Neues zu sagen haben.
Die anderen vier Sonatinen, sämtlich viel leichter und mit deutlich pädagogischer Motivation komponiert, spielt Brautigam mit derselben gewinnbringenden Mischung aus Lockerheit und Könnerschaft. Dem produktiven Holländer ist hier eine Platte geglückt, die ihren Platz in seinem Beethoven-Kanon (als Nachfolgerin des Sonatenzyklus) souverän einnimmt. Auch und gerade jungen Hörern sowie den vielen Klavierschülern, die gerade eine der in keinem Sammelband fehlenden Sonatinen üben, sei diese CD wärmstens ans Herz gelegt.
Henri Ducard [20.09.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sonate Es-Dur WoO 47/1 (1. Kurfürstensonate) | 00:12:16 |
4 | Sonate f-Moll WoO 47/2 (2. Kurfürstensonate) | 00:10:33 |
7 | Sonate d-Moll WoO 47/3 (3. Kurfürstensonate) | 00:18:05 |
10 | Sonatine WoO 50 | 00:02:14 |
12 | Leichte Sonatine Nr. 1 G-Dur | 00:03:37 |
14 | Leichte Sonatine Nr. 2 F-Dur | 00:05:01 |
16 | Zwei Stücke WoO 51 für Klavier | 00:07:29 |
Interpreten der Einspielung
- Ronald Brautigam (Fortepiano)