Soprano Cantatas
cpo 777 531-2
1 CD • 68min • 2009
13.12.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Johann Kuhnau (1660-1722) verdankt seine Bekanntheit heute vor allem dem Umstand, Amtsvorgänger von Johann Sebastian Bach in Leipzig gewesen zu sein – ein etwas betrüblicher Ruhm für einen Mann, der sich unter die bedeutenden Musiker seiner Generation rechnen durfte und obendrein ein universal gebildeter Mann war. Er stammte aus dem Ort Geising im Osterzgebirge, wo seit dem späten 14. Jahrhundert Bergbau betrieben und Zinn gegossen wurde; von dort stammte ebenfalls Johann Schelle (1640-1701), Vorgänger von Johann Kuhnau im Amt des Thomaskantor.
Nach dem Bericht in Matthesons Ehrenpforte zeigte sich Kuhnaus außerordentliche Begabung schon im kindlichen Alter, etwa als Neunjähriger erhält er in Dresden Unterricht beim Hofmusiker Salomon Krüger und bei Hoforganist Christoph Kittel, besuchte dann die Kreuzschule und studierte schließlich Philosophie und Jura in Leipzig. Das war der übliche Bildungsweg eines akademisch gebildeten Kantors – Johann Christoph Adelung schrieb später über Kuhnau: „Ich weiß nicht, ob er dem Orden der Tonkünstler oder den anderen Gelehrten mehr Ehre gebracht. Er war gelehrt in der Gottesgelahrtheit, in den Rechten, Beredsamkeit, Dichtkunst, Mathematik, fremden Sprachen und Musik.“
Nach einem Intermezzo in Zittau wurde Kuhnau 1682 Organist an der Thomaskirche in Leipzig, 1701 trat er in Nachfolge seines Landsmannes Schelle das Thomaskantorat an und wurde überdies Musikdirektor der Universität. Kuhnau ist bis heute als Komponist von Claviermusik bekannt: Seine Biblischen Historien von 1700 dürfen als frühe Beispiele der Programm-Musik gelten, die beiden Clavier-Übungen von 1689 und 1690 werden in ihrer systematischen Anlage als Vorbilder der gleichartigen Sammlungen J. S. Bachs betrachtet, 1696 veröffentlichte Kuhnau seine Frischen Clavier-Früchte.
Noch als Kreuzschüler in Dresden war Kuhnau dem Leiter der dortigen Hofkapelle, Vincenzo Albrici, begegnet. Man darf annehmen, dass der wissbegierige junge Mann fasziniert von dem weltläufigen Italiener gelernt hat: Der 1631 in Rom geborene Albrici war von 1659 bis 1680 am Dresdner Hof tätig, seit 1663 als Hofkapellmeister. Nach dem Tod von Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen 1680 löste sein Nachfolger die Hofkapelle auf, Albrici ging für ein Jahr als Thomasorganist nach Leipzig, um schließlich seine Tage 1696 als Kapellmeister der Augustinerkirche in Prag zu beschließen.
Die vorliegende CD kombiniert zwei Kantaten Johann Kuhnaus und weitere geistliche Werke aus seiner Feder mit zwei geistlichen Konzerten Vincenzo Albricis, denen man in ihrer Meisterschaft durchaus anhört, dass Albrici einen guten Teil seiner Dresdner Zeit in der Nachbarschaft zum Altmeister Heinrich Schütz verbrachte. In den beiden auf dieser CD eingespielten geistlichen Konzerten Kuhnaus macht sich wiederum der Einfluss Albricis bemerkbar, wenn auch in einer von Kuhnau mit teilweise kühner Kontrapunktik genial adaptierten Form.
Jan Katzke, Kantor an der Dresdner Diakonissenhauskirche und Dozent für künstlerisches Orgelspiel an der Hochschule für Kirchenmusik in Dresden, hat mit der Sopranistin Barbara Christina Steude das Ensemble concerto con voce gegründet. Den beiden Künstlern gelingt mit ihren Instrumentalisten ein facettenreiches Porträt Johann Kuhnaus, das mit der Musik Albricis und gattungsverwandten Werken Kuhnaus seine Verankerung in der Tradition ebenso gerecht wird wie die beiden Kirchenkantaten den Blick in die Zukunft lenken – mehr noch als auf den Nachfolger Bach allerdings auf gleichartige Werke der Kuhnau-Schüler Graupner und Fasch. So gelingt Jan Katzschke und Christina Steude ein liebevolles und ebenso stilrein wie eindringlich musiziertes Kaleidoskop der deutschen geistlichen Musik um 1700 und gleichzeitig ein Porträt eines zu Unrecht vernachlässigten deutschen Barockkomponisten.
Detmar Huchting [13.12.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Kuhnau | ||
1 | Weicht ihr Sorgen aus dem Hertzen (Kantate zum 15. Sonntag nach Trinitatis) | 00:16:31 |
8 | Ach Gott, wie läßt du mich verstarren (Begräbnis-Aria zu fünf Stimmen für Kantor Erhard Titius) | 00:07:20 |
Vincenzo Albrici | ||
9 | Omnia quae fecit Deus (Geistliches Konzert) | 00:08:33 |
Johann Kuhnau | ||
10 | In te Domine speravi (Geistliches Konzert zum 23. Sonntag nach Trinitatis) | 00:08:22 |
Vincenzo Albrici | ||
11 | Mihi autem bonum est (Geistliches Konzert) | 00:06:07 |
Johann Kuhnau | ||
12 | Bone Jesu (Geistliches Konzert zum 13. Sonntag nach Trinitatis) | 00:08:20 |
13 | Und ob die Feinde (Kantate zum 23. Sonntag nach Trinitatis) | 00:11:24 |
Interpreten der Einspielung
- Barbara Christina Steude (Sopran)
- concerto con voce (Ensemble)
- Jan Katzschke (Cembalo, Orgel, Leitung)