Ferenc Liszt Songs in different versions
Hungaroton HCD 32568
1 CD • 7min • 2009, 2010
13.12.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
So sehr sie ihn als Klaviervirtuosen bewunderten, so wenig konnten die Zeitgenossen mit Franz Liszt als Liedkomponisten anfangen. Und obwohl seine Bedeutung in diesem Genre mittlerweile von der Fachwelt anerkannt ist, spielen seine Lieder (mehr als 70 Titel in sechs verschiedenen Sprachen) in den Recitals heutiger Sänger allenfalls eine marginale Rolle. Das mag einerseits an der fehlenden Tradition, andererseits an den technischen Ansprüchen dieser Kompositionen liegen. Der Sänger ist bei Liszt nicht mehr Protagonist, sondern eingebettet in einen Klangstrom, in dem er auch untergehen kann.
Anders als die von Liszt bewunderten Vertreter romantischer deutscher Liedkunst wie Schubert und Schumann entwickelt Liszt seine Gesänge überwiegend vom Klavier her, das er gelegentlich wie ein Sinfonie-Orchester behandelt. Er vertont nicht Literatur, sondern die Musik saugt die Texte gleichsam auf. Sein Ideal war die Synthese von Musik und Literatur in der sinfonischen Dichtung. Das traditionelle Lied konnte da nur eine Form des Übergangs sein.
Der 200. Geburtstag des Komponisten im kommenden Jahr inspiriert nun die Plattenfirmen, auch seine verkannten Klavierlieder wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das kleine Label Marsyas hat mit einer vierteiligen Gesamtedition begonnen, Hungaroton ergänzt diese durch eine interessante Gegenüberstellung früher und später Versionen vertonter Gedichte, die ihn offenbar ein Leben lang beschäftigt haben. Der reife Künstler sah seine Jugendwerke sehr selbstkritisch: „Meine früheren Lieder sind meistens zu aufgebläht sentimental, und häufig zu vollgepfropft in der Begleitung.“
An den Tre Sonetti di Petrarca läßt sich der Stilwandel besonders gut studieren. Die 1847 veröffentlichte Version scheint ein Reflex auf seinen Italien-Aufenthalt zu sein, er versucht hier den mittelalterlichen Dichter mit den Mitteln der Belcanto-Oper eines Bellini und Rossini in den Griff zu bekommen und treibt den Tenor in schwindelerregende Höhen. Weit sparsamer und introvertierter im Vokalen wie in der Begleitung kommen dagegen die 1883 erstmals publizierten Varianten daher. Auch seine Gesänge auf Texte von Goethe und Victor Hugo klingen in den Zweit- und Drittfassungen gelassener und konzentrierter, was den Reiz der ersten Versuche aber keineswegs mindert.
Die vorliegende Edition darf mit Einschränkungen als gelungen betrachtet werden. Die Mezzosopranistin Bernadett Wiedemann kann ihr dramatisches Operntemperament nicht immer genügend bändigen, ist als Goethes Klärchen im Egmont zu heroinenhaft, findet aber für die Petrarca-Sonette auch intime Töne. Die nicht besonders attraktive, in der Brusthöhe eng klingende, in der voix mixte aber durchschlagskräftige Tenorstimme von Szabolcs Brickner wird den Anforderungen gleichwohl in beachtlichem Maße gerecht, auch nimmt der Sänger durch saubere Diktion für sich ein. Poetisch und momentweise geradezu zärtlich ist die Klavierbegleitung von Emese Virág.
Ekkehard Pluta [13.12.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | I find no peace S 161:5 | 00:06:09 |
2 | Blessed be the day S 161:4 | 00:05:26 |
3 | I beheld on earth S 161:6 | 00:05:25 |
4 | Freudvoll und leidvoll S 280 | 00:07:03 |
7 | Sound softly, my song | 00:09:46 |
9 | Thou that from the heavens art S 279 | 00:11:03 |
12 | Oh, when I sleep S 282 | 00:09:49 |
14 | Sonetto del Petrarca No. 104 S 161:5 | 00:06:09 |
15 | Sonetto del Petrarca No. 47 S 161:4 (1837/1849) | 00:05:26 |
16 | Sonetto del Petrarca No. 123 S 161:6 | 00:05:25 |
Interpreten der Einspielung
- Bernadett Wiedemann (Mezzosopran)
- Emese Virág (Klavier)
- Szabolcs Brickner (Tenor)