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Besprechung CD

Historia de Compassione Gloriosissimae Virginis Mariae

cpo 777 604-2

1 CD • 58min • 2010

10.01.2011

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 6
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Die Reihe Musica Sacra Hamburgensis war bisher der Geistlichen Musik der Hansestadt der Zeit von 1600 bis 1800 gewidmet, beschäftigte sich also mit Barockmusik im weitesten Sinn von den frühen Anfängen der Epoche bis zu ihren letzten Ausläufern. Mit der vorliegenden Veröffentlichung weitet sich der historische Rahmen vor die Reformation in die Zeit des Spätmittelalters; auch damals war Hamburg ein bedeutendes Kulturzentrum im Norden – dazu trug natürlich auch der Dom St. Marien bei, die Kirche des Erzbistums Hamburg. Zwar war der Erzbischof selbst schon im 9. Jahrhundert den zahlreichen Slaweneinfällen ausgewichen und hatte seinen Amtssitz ins benachbarte und sicherere Bremen verlegt, doch blieb das Domkapitel in Hamburg und verfügte mit dem Mariendom über eine Kirche, die im Laufe des 14. Jahrhunderts zu einer fünfschiffigen Hallenkirche von eindrucksvollen Ausmaßen umgebaut wurde und in dieser Form auch nach der Reformation weitgehend erhalten blieb, 1806 allerdings wegen Baufälligkeit abgerissen wurde.

Aus der Bibliothek des Hamburger Doms bewahrt die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek einen Codex mit Antiphonen und Responsorien aus dem 15. Jahrhundert auf – der Musikwissenschaftler Viacheslav Kartsofnik, Spezialist für mittelalterliche Musik aus Nordeuropa, hat diesen Schatz kürzlich gehoben und ediert: Die in der Handschrift niedergelegte Musik ist sowohl bezüglich des lateinischen Textes wie auch der einstimmigen gregorianischen Melodien einzigartig in der Überlieferung und darf überdies als das früheste erhaltene musikalische Zeugnis aus Hamburg gelten. Die Handschrift umfasst zwei gottesdienstlichen Zyklen, ein Offizium zu Ehren der Gottesmutter Maria und eine weiteres für ihre Mutter, die Heilige Anna. Der gregorianische Choral am Hamburger Dom scheint ausgesprochen konservativ gewesen zu sein, hier hielt man noch an der Einstimmigkeit fest, als das übrige Europa schon lange zu Zwei- und Mehrstimmigkeit übergegangen war. Als Metropolitansitz des gesamten europäischen Nordens einschließlich Skandinaviens, Islands und Teilen Nordrusslands war der kulturelle Einfluss des Erzbistums Hamburg freilich bedeutend, und mit der Dechiffrierung des Antiphonars verschwindet ein weißer Fleck auf dem historischen Kulturatlas des Nordens.

Das Leipziger Vokalensemble amarcord legt auf dieser CD das Marianische Offizium des Hamburger Antiphonars vor. In bekanntem Schönklang, der die Einspielungen des von Wolfram Lattke geleiteten fünfstimmigen Männerensembles auszeichnet, präsentiert sich auch diese Aufnahme. Leider kommt dabei die Darstellung des Textes zu kurz – die im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts gewonnenen Erkenntnisse über die Gregorianik als gestische Musik scheinen bei der inhaltlichen Konzeption der Interpretation keine Rolle gespielt zu haben. Schade, denn so gelingt eine klangliche Wiederherstellung dieses Repertoires, das eine bisher nicht gehörte Eigenart des gregorianischen Gesangs bietet, nur unvollkommen: Die von Godehard Joppich, einem der Protagonisten des lebendig gestalteten gregorianischen Gesangs, vorbereitete Notenedition des Codex gerät den Herren von amarcord eher zur Präsentation einer Klangmumie denn als Wiederbelebung einer lange vergessenen Tradition.

Detmar Huchting [10.01.2011]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
trad.
1Domine, labia mea operies (Intonatio) 00:00:23
2Christum regem adoremus (Invitatorium) 00:03:28
3Domine, dominus noster (Ad Primo Nocturno: Antiphona I) 00:02:35
4Ecce Maria dira pendet (Ad Primo Nocturno: Antiphona II) 00:02:08
5Plangat cum virgine (Ad Primo Nocturno: Antiphona III) 00:02:37
6Egressus est a filia Sion (Ad Primo Nocturno: Responsorium I) 00:03:21
7Vide domine et considera (Ad Primo Nocturno: Responsorium II) 00:03:00
8Quis dabit capiti meo (Ad Primo Nocturno: Responsorium III) 00:03:42
9Quem genuit mater (Ad Secundo Nocturno: Antiphona IV) 00:03:03
10Vidit Maria aquam (Ad Secundo Nocturno: Antiphona V) 00:02:27
11Quia filio crucifixo fideliter (Ad Secundo Nocturno: Antiphona VI) 00:02:30
12Dilectus meus candidus filiae Jerusalem (Ad Secundo Nocturno: Responsorium IV) 00:02:44
13Deduc quasi torrentem (Ad Secundo Nocturno: Responsorium V) 00:03:22
14Quis mihi tribuat (Ad Secundo Nocturno: Responsorium VI) 00:03:18
15Commota est terra (Ad Tertio Nocturno: Antiphona VII) 00:02:42
16Consolare filia Sion (Ad Tertio Nocturno: Antiphona VIII) 00:02:29
17O mater benedicta (Ad Tertio Nocturno: Antiphona IX) 00:03:10
18O vere stupendos visionis radios (Ad Tertio Nocturno: Responsorium VIII) 00:03:53
19Cum vidisset Jesus oculis (Ad Tertio Nocturno: Responsorium VIII) 00:03:22
20Stella maris candoris ebur (Ad Tertio Nocturno: Responsorium IX) 00:03:30

Interpreten der Einspielung

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