Vittorio Grigolo The Italian Tenor
Sony Classical 88697752572
1 CD • 64min • 2010
02.03.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn ein neuer Tenorstar, noch dazu ein italienischer, am Sänger-Firmament aufflammt, dann übertreiben meistens die einen durch pure Adoration und die anderen durch Nörgeln und Heruntermachen. Letzteres wird bei Vittorio Grigolo freilich nicht so leicht fallen, denn die reichen und guten Gaben des Sängers können nicht unbemerkt bleiben. Vielen Opernfreunden wird Grigolo aus der vor nicht allzu langer Zeit gezeigten TV-Produktion von Verdis Rigoletto (mit Domingo in der Titelpartie) in Erinnerung sein, zumindest als bewerkenswertes Talent. Dazu ist er jung und blendend aussehend, also wie für die Opernbühne geschaffen.
Näheres über ihn erfährt man aus seiner ersten Solo-CD, die mit großer Sorgfalt und Ambition hergestellt wurde. Vittorio Grigolo beweist darin Musikalität, gute Schule, perfekte Artikulation und beeindruckt mit seiner hell getönten, etwas schmalen Stimme, die insbesondere im Bereich der mittleren Lage und der mittleren Lautstärke einen betörenden, einschmeichelnden Klang annimmt. In der Tiefenlage gibt es unüberhörbare Schwächen. Die hohen Töne nehmen im ungünstigen Fall einen leicht blechernen Klang an, können sich aber oft auch frei und fulminant durchsetzen. H und C, Des, sogar D (in der Stretta des Duca di Mantua) – alles vorhanden. Das Vorbild Pavarotti schimmert deutlich durch – und niemand wird daran Anstoß nehmen.
Was Einschränkungen hervorruft, ist sein allzuoft verwendetes Erregungs-Vibrato, das seinem Vortrag etwas Doloroses, oft auch Schmachtendes verleiht. Von dieser überflüssigen Ergriffenheits-Attitüde müsste sich der Sänger lossagen. Auch gibt es zur Ausführung des Notentextes einiges zu sagen: Donizettis Arie Spirto gentil (aus La Favorita), seit jeher ein Prüfstein für sublime lyrische Tenorkunst, gelingt Grigolo in den gradlinig dahinströmenden Phrasen ganz ausgezeichnet, doch die kleinen Notenwerte werden zuwenig herausgemeißelt, klingen verwischt. Unpassend auch der „hinauf“ gesungene Schluss in der Rodolfo-Arie aus Verdis Luisa Miller.
Es ist aber auch eine Menge Gutes über Grigolos Arienkonzert zu sagen. Unter den fünfzehn Nummern ragt jene mit der Arie des Roberto aus Puccinis Jugendoper Le Villi hervor. Da werden starke vokale und emotionelle Potenzen wach. In Verdis großen Gesangsszenen, die sowohl Dramatik als auch Lyrik erfordern (Quando le sere al placido aus Luisa Miller, die Ges-Dur-Arie aus Rigoletto) beweist der Sänger, dass er in beiden Sphären vollkommen bestehen kann. Ebenso als Manrico im Trovatore (Ah sì, ben mio, dazu die vollständige Stretta) oder Riccardo (Un ballo in maschera). Einwandfrei auch Donizettis Una furtiva lagrima und Puccinis Arien des Des Grieux, Rodolfo, Cavaradossi und Rinuccio (Gianni Schicchi).
Das Tenorprogramm mit bekannten Opern-Gustostücken mag man als konventionell bezeichnen, immerhin gibt es auch Raritäten wie Le Villi und Il corsaro. Im Ausschnitt aus Verdis selten gespielter Oper wirkt in einer Nebenpartie der Bassist Danilo Rigosa mit – ein nobles Dankeszeugnis des aufstrebenden Tenorsterns an seinen Gesangslehrer. Die kreischende Sopranistin (im Trovatore) hätte man allerdings mit Mikrofonverbot belegen sollen. Orchester und Chor assistieren absolut passend und zweckdienlich.
Vittorio Grigolo, geboren 1977 in Arezzo, ist ein tenorales Ausnahmetalent, das steht außer Zweifel. Große Konkurrenz in seinem Fach ist kaum wahrzunehmen. Sein siegverkündender Vorname mag ihn zu weiteren Höhenflügen anspornen.
Clemens Höslinger [02.03.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | Oh! fede negar potessi ... Quando le sere al placido (aus: Luisa Miller) | 00:05:36 |
Gaetano Donizetti | ||
2 | Una furtiva lagrima (2. Akt, Arie des Nemorino - aus: L' elisir d'amore) | 00:04:52 |
Giuseppe Verdi | ||
3 | Ella mi fu rapita! … Parmi veder le lagrime (2. Akt, Duca - aus: Rigoletto) | 00:04:56 |
4 | Ma dove or travasi la poveretta? ... Possente amor mi chiama (aus: Rigoletto) | 00:03:27 |
Gaetano Donizetti | ||
5 | Favorita del Re! ... Spirto gentil (aus: La favorita) | 00:05:02 |
Giacomo Puccini | ||
6 | Che gelida manina (from: La Bohème) | 00:05:00 |
7 | Avete torto ... Firenze è come un albero fiorito (Rinuccio - aus: Gianni Schicchi) | 00:03:15 |
8 | Ecco la casa ... Torna ai felici di (aus: Le villi) | 00:06:10 |
Giuseppe Verdi | ||
9 | Ah! si, ben dite ... Tutto parea sorridere (aus: Il corsaro) | 00:04:07 |
10 | Della brezza col favore ... Sì: de'corsari il fulmine (aus: Il corsaro) | 00:03:44 |
11 | Forse la soglia attinse - Ma se m'è forza perderti (3. Akt, Riccardo - aus: Un ballo in maschera) | 00:04:54 |
Giacomo Puccini | ||
12 | Donna non vidi mai (1. Akt: Des Grieux - aus: Manon Lescaut) | 00:02:38 |
13 | Und es blitzen die Sterne (Act 3: Aria - from: Tosca) | 00:03:12 |
Giuseppe Verdi | ||
14 | Ah! sì, ben mio coll'essere (Teil 3, Manrico - aus: Il Trovatore) | 00:03:03 |
15 | Manrico? Che? ... Dì quella pira (aus: Il trovatore) | 00:04:05 |
Interpreten der Einspielung
- Vittorio Grigolo (Tenor)
- Coro del Teatro Regio di Parma (Chor)
- Orchestra del Teatro Regio di Parma (Orchester)
- Pier Giorgio Morandi (Dirigent)