Acousence Classics ACO-CD-21510
1 CD • 52min • 2010, 2009
19.04.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Von der Magie einer Aufführung vor Publikum reden viele Musiker und Dirigenten. Der konzentrierte Zustand des Hier und Jetzt, wo sich so unterschiedliche Faktoren vereinen und bündeln. Eine gewisse Anspannung, die Produktivkräfte freisetzt und diese Aura von Nehmen und Geben mit dem Publikum. Kurzum: Spontaneität, wie die nur im vollbesetzten Konzertsaals möglich ist. Daher ist es kein Wunder, dass ein Livemitschnitt im Idealfall noch mehr zündende Funken überspringen lassen kann, als dies jede perfektionierte, den Zufall eliminierende Studioproduktion vermag. Diesem Aspekt trägt die CD-Reihe „Living Concerts“ des Labels Acousence Rechnung. Die vorliegende Veröffentlichung kann hier eine besonders fruchtbare Zusammenarbeit dokumentieren: So war die überaus gefragte Violinisten Susanna Yoko Henkel als „Artist in Residence“ mit den Duisburger Philharmonikern künstlerisch verbunden. Ein Livemitschnitt der Interpretation von Peter Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur op. 35 kürte diese Kooperation.
Und tatsächlich: Hier liegt eine Interpretation vor, die einem überaus bekannten Repertoirestück durchaus neue Deutungs-Aspekte abgewinnen kann. Die junge Solistin und der Dirigent Jonathan Darlington mit seinem – seit nunmehr seit 125 Jahren bestehenden – Orchester haben sich hier auf eine nachdenkliche, die Agogik betonende Ausdeutung eingelassen, ja, von Entschleunigung vor allem der virtuosen Parts könnte man sprechen. Zurückgenommen erscheint jedes Pathos, und auch ein naheliegendes überspanntes Virtuosentum wich einem manchmal regelrecht philosophisch anmutenden Diskurs. Das beginnt bei der kurzen Streicher-Einleitung, das setzt sich bei der Gewichtung der ohrwurmverdächtigen Thematik der Komposition fort. So entsteht eine tief blickende, den Ernst dieser musikalischen Gedankenwelt völlig pathosfreie erfassende Rhetorik – vorausgesetzt man weiß als Hörer, so etwas an sich heran zu lassen. Vielleicht hätte es einer Aufführung wie dieser bedurft, um Eduard Hanslick von seinem zeitgenössischen Generalverdikt im Hinblick auf diese Komposition („Musikstücke, die man stinken hört…“) abzubringen. Und alle einst damit einher gehenden Unkenrufe von der technischen Unspielbarkeit dieses Werkes weiß Susanna Yoko Henkel eindrücklich zu revidieren, was allerdings bei dieser Interpretin zu erwarten war. Das einstige Wunderkind, das mit zwei Jahren schon von der Violine besessen war, beherrscht die ganze spieltechnische Trickkiste, als wäre ihr soetwas angeboren. Das heißt – alle noch so vertrackten Läufe, Kadenzen, Doppelgriffpassagen bleiben bei sämtlicher grenzensprengender Akrobatik in ihrem Grundgehalt entspannt und faszinierend transparent. Die derzeit als „Rising Star“ der Szene gehandelte Interpretin hat ein ebenso großartiges Werkzeug in ihren Händen: Regelrecht verliebt sei sie in ihre „Ex Leslie Tate“-Stradivari von 1710 , und sie macht auch deren frappierende Klangkultur auf diesem Tonträger erfahrbar. Das wird vor allem im langsam getragenen Gesang des zweiten Satzes deutlich, wo der herbe, dunkle Ton in den tiefen Registern fast schon wie eine Viola anmutet und entsprechend raumfüllend ist. Man möchte in den begeisterten Applaus, den einem die Aufnahme nicht vorenthält , gerne mit einstimmen!
Abgerundet wird der Tonträger durch eine stimmungsvolle, eine Aura von elegischer Traurigkeit verkörpernden Tondichtung, nämlich Vaughan Williams Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis. Aus sphärischen Streicherflächen tasten sich die ersten motivischen Spuren eines melancholischen Themas zur Oberfläche empor und formen einen Klagesang, der sich in differenziertem, oft romantisch geprägten Licht- und Schatten-Spiel erzählerisch weiterspannt. Jonathan Darlington weiß auch hier, zuverlässig die Farben zu schattieren, die Tempi und dynamischen Bögen zu dosieren.
Stefan Pieper [19.04.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Peter Tschaikowsky | ||
1 | Konzert D-Dur op. 35 für Violine und Orchester | 00:35:44 |
Ralph Vaughan Williams | ||
4 | Fantasia on a Theme by Thomas Tallis | 00:16:01 |
Interpreten der Einspielung
- Susanna Yoko Henkel (Violine)
- Duisburger Philharmoniker (Orchester)
- Jonathan Darlington (Dirigent)