cpo 777 675-2
1 CD • 62min • 2011
08.10.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Schon der alte Goethe empfand, bei allem Respekt vor der nachdichterischen Leistung Achim von Arnims und Clemens Brentanos, die Naivität und Volkstümlichkeit der Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn ein bisschen aufgesetzt. Auch in den Vertonungen Gustav Mahlers wirkt der volksliedhafte Ton immer nur zitiert, verdeckt (und enthüllt gleichzeitig) die Abgründe der Seele eines Menschen im Fin de siècle.
Es ist ein Verdienst von Christoph Prégardien, dass er in seiner Auswahl von sechs Liedern die notwendige zweite Naivität findet, um sie für einen Hörer des 21. Jahrhunderts nachvollziehbar zu machen. Die Bochumer Symphoniker unter Steven Sloane unterstützen ihn dabei in vorbildlicher Weise. Sie musizieren ohne die Schwerblütigkeit und Unheil dräuende Attitüde, die so vielen Mahler-Interpretationen anhaftet. Das Orchester spielt mit tänzerischer Leichtigkeit auf, stellt in Revelge mit Gusto den Marsch-Rhythmus aus, und selbst das Urlicht („Der Mensch liegt in größter Not“) bekommt in seiner Jenseits-Gewandtheit etwas geradezu Tröstliches.
Die noch immer jung klingende, hell timbrierte Stimme des damals 55jährigen Tenors erweist sich hier als immer noch wunderbar flexibel, hat sowohl die schneidenden wie die betörenden Facetten, die in den Liedern gefragt sind. Die Diktion ist glasklar, die Texte sind bis in die kleinsten Nuancen ausgehört, intellektuell und emotional durchdrungen, ohne dass der Vortrag je prätentiös oder schulmeisterlich wirkt. In den Liedern eines fahrenden Gesellen, die man in der Regel mit einer Baritonstimme im Ohr hat, geht Prégardien nicht im lyrischen Ich auf, sondern bewahrt eine erzählerische Distanz, die jede Gefühligkeit, jede Aura von Selbstmitleid vermeidet. Trotzdem wird der Schmerz des „glühend Messer“ fühlbar und beim letzten Lied Die zwei blauen Augen Mahlers Anweisung „Mit geheimnisvoll schwermütigem Ausdruck. Ohne Sentimentalität“ genau umgesetzt. Zwischen die beiden Mahler-Blöcke sind vier Rilke-Vertonungen von Wolfgang Rihm gestellt - dramaturgisch sinnvoll, da sowohl die Texte wie Rihms Kompositionsprinzipien Analogien zu Mahler aufweisen. Wir erleben hier eine gleichsam authentische Interpretation, denn die vier Lieder sind in ihrer ersten Version mit Klavierbegleitung (2000) dem Sänger Prégardien gewidmet und wurden auch 2004 in der Orchesterfassung von ihm in Basel uraufgeführt.
[08.10.2013]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Lob des hohen Verstandes (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:02:46 |
2 | Wo die schönen Trompeten blasen (aus: ) | 00:06:49 |
3 | Revelge (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:07:00 |
4 | Rheinlegendchen (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:03:09 |
5 | Wer hat dies Liedlein erdacht (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:02:01 |
6 | Urlicht (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:05:08 |
Wolfgang Rihm | ||
7 | Neue Sonne | 00:04:46 |
8 | Dies überstanden haben | 00:04:47 |
9 | Ich ging: ich war's | 00:04:40 |
10 | Oft auf dem Glasdach | 00:05:40 |
Gustav Mahler | ||
11 | Wenn mein Schatz Hochzeit macht (aus: Lieder eines fahrenden Gesellen) | 00:03:43 |
12 | Ging heut' morgen übers Feld (aus: Lieder eines fahrenden Gesellen) | 00:04:03 |
13 | Ich hab' ein glühend Messer (aus: Lieder eines fahrenden Gesellen) | 00:02:53 |
14 | Die zwei blauen Augen (aus: Lieder eines fahrenden Gesellen) | 00:04:53 |
Interpreten der Einspielung
- Christoph Prégardien (Tenor)
- Bochumer Symphoniker (Orchester)
- Steven Sloane (Dirigent)