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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Solitaires

Kathryn Stott

BIS 2148

1 CD/SACD stereo/surround • 69min • 2014

15.10.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Es ist in Mode gekommen – und das bitte ich keineswegs als abwertend zu verstehen -, einem CD-Projekt mit Hilfe eines übergeordneten, sozusagen zusammenfassenden, bzw. pointierenden Titel zu vermehrter Aufmerksamkeit und damit auch zu gesteigertem Verkauf zu verhelfen. Mit dem Prädikat „Solitaires“ – also Einzigartiges – haben die Verantwortlichen des Labels BIS die Programmzusammenstellung mit der 56jährigen englischen Pianistin Kathryn Stott überschrieben – wohl wissend, dass der Hörer ein solches Höchstwertversprechen nicht nur auf die musikliterarischen Einzelfälle beziehen wird, sondern auch auf die Qualität ihrer pianistischen Übermittlung. Ich habe in diesem Fall das Alter der Interpretin Kathyrin Stott verraten, weil es in diesem speziellen Fall auch eine doppelte Einzigartigkeit zu berücksichtigen gilt. Denn mit Ravels retrospektiv-modernistischer Le tombeau de Couperin-Suite wendet sich die aus Lancashire stammende Interpretin einem musikalisch-musikantischem Stoff zu, den sie vor fast 25 Jahren schon einmal im Rahmen eines umfangreichen Debussy/Ravel-Projekts für das englische Conifer-Label mit großer Um- und Einsicht, ohne jede gestalterische Extravaganz und rein technisch gesehen auf bestem Niveau zur Diskussion stellte.

Das Einzigartige – so könnte man folgern – lässt sich also wiederholen. Und Kathryn Stott knüpft tatsächlich mit ihrer neuen Einspielung der Ravelschen Couperin-Verbeugung an ihre erste CD-Version an. Die Zeitmaße der sechs Abschnitte wirken bis auf minimale, eher anhand der Zeitangaben festzustellende Verlangsamungen identisch. Die „Handhabe“ der tänzerischen und musikintellektuellen Formate („Fugue“) wirkt wie einst auf klare Umrisse und Linien bedacht, vielleicht sogar ein wenig distanziert, wobei man der Pianistin zu Gute halten darf, dass die Ravel-Darstellung sich von der Debussy-Interpretation stets durch eine kühlere Ausdrucks- und Betriebstemperatur abhob. So hütet sich Stott auch in den trommelnden und gegen Ende zunehmend perkussiven Modalitäten der finalen Toccata den Tonfall einer mobilen Diskretion aufzugeben. So wie man ihn nämlich immer wieder erlebt, wenn Kolleginnen und Kollegen die Suite – zumal auf dem Konzertpodium – mit einem „Precipitato“-Feuerwerk à la Prokofieff zum umjubelten Ende steuern.

Den weitgefassten Vorstellungen von Einzigartigkeit entsprechen auf jeden Fall die beiden kleinen Stücke des französischen, 1940 im Alter von nur 29 Jahren verstorbenen Komponisten Jehan Alain. Bei der Miniaturpaarung Prélude et Fugue aus dem Jahr 1935 – so ist es dem Begleittext von Jean-Pascal Vachon zu entnehmen – handelt es sich nach Angabe von Jehans Schwester Marie-Claire Alain „eigentlich um die Kombination zweier separater Stücke“. Kathryn Stott gelingt es hier auf gleichsam engstem Raum die untaktierte Prélude-Welt der Clavecinisten des 17. und 18. Jahrhunderts anschaulich zu gestalten, während die mehr organistische Machart der Fuge zu ernsterem Vortrag anhält.

Mit der nicht nur bei Wettbewerben gern gespielten Dutilleux-Sonate – zumal dann, wenn ein Stück des 20. Jahrhunderts verlangt wird – beweist Kathryn Stott vor allem im dritten Satz, einem Choral mit zunehmend brillanten Variationen, dass sie mit den unten angegebenen Konkurrenten nicht nur mithalten kann, sondern eine durchaus eigene, sehr luftige, fast schon friedfertige Variante des agilen Klavierspiels anzubieten vermag. Diese Vorzüge kommen auch dem 15. Kapitel aus Olivier Messiaens Vingt regards sur l’enfant-Jéus, dem „Kuss des Jesuskindes“, zum Tragen. Stotts Klavierempfinden verirrt sich nicht ins Hypermystische, aber es biete dem Hörer genügend Gelegenheit, sich in die klanglich-religiöse Welt Messiaens einzuhören, die Musik sozusagen als ein musikalisiertes Kirchenfenster lauschend anzuschauen.

Vergleichseinspielungen: Dutilleux: Krier (Avi Music 8553137), R. Levin (ECM 476 3653), Queffelec (Virgin 5 45222 2), Amato (Connaisseur Musik Ar 2); Ravel: Batagov (arbiter 102), Casadesus (Sony MH2K 63316), Monique Haas (DG 459010-2 1955), Gilels (Melodya MCD 166), Lortie (Chandos 8620), Weissenberg (EMI LP 2C 065-12043), Werner Haas (Philips LP 835 313/14 AY), Marcelle Meyer (EMI CZS 7 67405), Queffelec (Virgin VC 7 59233 2), Stott (Conifer classics 75605 51755-2), Uhlig (Hänssler 93.318)

Peter Cossé † [15.10.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Jehan Alain
1Prélude et Fugue JA 87A 00:04:21
Henri Dutilleux
3Sonate für Klavier 00:24:49
Maurice Ravel
6Le Tombeau de Couperin (Suite) 00:24:51
Olivier Messiaen
12Vingt régards sur l'enfant-Jésus 00:13:28

Interpreten der Einspielung

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