Julius Röntgen
Works for Violin & Piano Vol. 1

cpo 777 768-2
1 CD • 74min • 2011
16.02.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Julius Röntgens Verwurzelung in der Leipziger Schule, seine Verbundenheit mit den Idealen Mendelssohns und Schumanns offenbart sich meines Erachtens am deutlichsten in der Kammermusik des so vielseitigen und fruchtbaren Deutsch-Niederländers. Auf der neuesten Veröffentlichung der verdienstvollen cpo-Röntgen-Edition, Folge 1 der Werke für Violine und Klavier mit dem Geiger Christoph Schickedanz und seinem Partner am Flügel Ernst Breidenbach, wird dies durchweg hörbar.
Die hier eingespielten und tontechnisch vorbildlich eingefangenen Werke entstammen unterschiedlichen Schaffensphasen des Brahms- und Grieg-Freundes, sind bei noch so unterschiedlichen Stimmungslagen aber allesamt sehr konzentriert gearbeitet und dabei von großem Gesten-, Erfindungs- und Empfindungsreichtum sowie von einnehmender, teilweise schwelgerischer Melodik: die freundlich und sehr ausgewogen daherkommende Sonate E-Dur op. 40 von 1900 mit ihren in der prägnanten Thematik und motivischen Arbeit an Brahms sowie atmosphärisch an Grieg gemahnenden, so Röntgen-typischen folkloristischen Elementen; die in einem betörenden Erzählton gehaltene zweisätzige, in ihrem ersten Satz einer Variationsfolge gleichende Phantasie op. 24 aus dem Jahr 1884; die dem jüdisch-weißrussischen Geiger – und Freund – Alexander Schmuller gewidmete Sonata trilogica von 1915 mit ihrer klagenden wie herben, auch einen russischen und jüdischen Tonfall streifenden Sprache; schließlich die 1925 entstandene, aus sieben kurzweiligen und einfach gebauten Vortragsstücken bestehende Suite op. 89 (an dieser Stelle sei auf den sehr informativen Booklet-Text verwiesen, der auch der Frage nach den gedruckten und handschriftlichen Vorlagen der mit und ohne Opuszahlen überlieferten Werke für Violine und Klavier nachgeht).
Der Eindringlichkeit der Tonsprache Julius Röntgens begegnen Christoph Schickedanz und Ernst Breidenbach mit einem enormen Ausdruckswillen und einer höchst organisch wirkenden Gestaltungskraft. In ihrem geschliffenen Vortrag ist von Gelassenheit keine Spur; hier dominieren ein kraftvoller Zugriff und Emotionalität pur. Hellhörig greifen sie jederzeit den Tonfall des Partners auf und demonstrieren eine innige, faszinierende Erzählkunst jenseits von Kraftmeierei und Kitsch, wobei sie in der Phantasie op. 24 für meinen Geschmack doch gelegentlich Sentiment mit Sentimentalität verwechseln – ein Eindruck, der aber vielleicht auch auf einen meiner Meinung nach nicht immer kontrollierten Vibrato-Einsatz von Christoph Schickedanz zurückzuführen ist. Dass sich die beiden Künstler in völligem Einklang miteinander befinden, beweisen sie auch mit ihrer brodelnden bis eruptiven Deutung des zerklüfteten, beängstigend wirkenden Scherzo aus der Sonata trilogica mit ihrer geweiteten, die Leipziger Schule deutlich hinter sich lassenden Harmonik. Sehr eloquente Charakterzeichnungen kennzeichnen auch ihre Wiedergabe der zwischen Folkloristischem, Salonhaftem, einer schwermütigen Erinnerung an den Freund Edvard Grieg und kraftvoll Strahlendem pendelnden Suite op. 89. Man darf also freudig gespannt darauf sein, was cpo und das Gespann Schickedanz-Breidenbach in Sachen Julius Röntgen noch ans Tageslicht befördern werden.
Christof Jetzschke [16.02.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Julius Röntgen | ||
1 | Sonate E-Dur op. 40 für Violine und Klavier | 00:22:14 |
5 | Fantasie op. 24 | 00:18:26 |
7 | Sonata trilogica | 00:17:13 |
10 | Sieben Konzertstücke op. 89 (Suite) | 00:16:21 |
Interpreten der Einspielung
- Christoph Schickedanz (Violine)
- Ernst Breidenbach (Klavier)