Rachmaninov
Études-tableux, Op. 39 • Boris Giltburg
Naxos 8.573469
1 CD • 71min • 2015
13.05.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Lange sind die Zeiten vobei, als viele skeptisch waren, wenn Naxos Standardrepertoire vorstellte. Heute schmückt man sich mit erstklassigen Künstlern und weiß sich aufgrund des exzellenten Vertriebs und der bei Schwerpunkten sehr effizienten Promotion kaum mehr zu retten vor Mainstream-Angeboten. Der 1984 in Moskau geborene und in Israel ausgebildete Pianist Boris Giltburg zählt zu den Favoriten des Labels. Er hat bereits zwei CDs – mit populären Beethoven-Sonaten und einigen der bekanntesten Zyklen Schumanns – aufgenommen, und nun geht er mit Rachmaninoff „ins Volle“, mit dem zweiten Heft der Études-Tableaux und den frühen Moments musicaux op. 16.Pianistisch hat er alle Voraussetzungen, um einen solchen Hardcore-Test mit Bravour zu bestehen, sowohl manuell als auch intellektuell, und meistert beispielsweise die horrend schweren Passagen im vierten und sechsten Moment musical, auf die er sich in seinem so persönlichen wie informativen Booklettext bezieht, bravourös. Kein Zweifel, Giltburg hat das Potential, ein hervorragender Rachmaninoff-Spieler zu sein, das Technische ist bei ihm kein Hindernis.
Was jetzt noch zu entwickeln wäre, möchte ich zusammenfassend so beschreiben: die genauere Umsetzung der dynamischen und agogischen Angaben des Komponisten, denn da kommen viele Kontraste nicht wie erforderlich zum Zug, und dafür werden andere Kontraste geweckt, die dem Zusammenhang des Ganzen eher abträglich sind; ein weniger draufgängerischer Zugang in Tempofragen, wo sowohl langsame Stücke (wie op. 39 Nr. 2) grundsätzlich zu geschwind aufgefasst sind als auch eigentlich entspannte Tempi hochgeschraubt werden (op. 16 Nr. 2) und bewegte Stücke teils extrem überhastet genommen werden (op. 39 Nr. 6, die berühmte Rotkäppchen-Etüde – wie könnten, so rasant im Grundansatz verstanden, die von Rachmaninoff intendierten Tempo-Kontraste, der schnellere Presto-Mittelteil, sich überhaupt noch auswirken können?); ein weniger stereotypes Verständnis des Staccato, das viel mannigfaltigere Nuancierungen erlauben würde; ein weniger pauschal dröhnendes Fortissimo in der Tiefe und in jedem dynamischen Bereich die Balancierung der Akkorde als einheitliche Gesamterscheinung; die Überwindung des Manierismus, Rubato vor allem immer so verwenden, dass zum Phrasenende vor der nächsten Eins verzögert wird, denn dadurch entsteht domestizierende Kleinteiligkeit der Entwicklung; generell ein klareres Verständnis der Spannungsverhältnisse innerhalb des kadenzierenden Sogs und, analog dazu, in weiteren melodischen Bögen, also: wo entspannt sich die Linie, und wo geht sie sinnvollerweise wieder ran – denn das steht meistens nicht in den Noten. Wenn Giltburg an all’ diesen Punkten gezielt arbeitet, dann kann aus ihm durchaus ein ganz Großer werden. Ein brillantes Album ist ihm hier, dem Gegenstand angemessen, allemal geglückt.
Christoph Schlüren [13.05.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Etudes Tableaux c-Moll op. 39 Nr. 1 | 00:03:31 |
2 | Etudes Tableaux a-Moll op. 39 Nr. 2 | 00:06:04 |
3 | Etudes Tableaux fis-Moll op. 39 Nr. 3 | 00:03:16 |
4 | Etudes Tableaux h-Moll op. 39 Nr. 4 | 00:04:28 |
5 | Etudes Tableaux es-Moll op. 39 Nr. 5 | 00:05:22 |
6 | Etudes Tableaux a-Moll op. 39 Nr. 6 | 00:02:35 |
7 | Etudes Tableaux c-Moll op. 39 Nr. 7 | 00:07:15 |
8 | Etudes Tableaux d-Moll op. 39 Nr. 8 | 00:03:51 |
9 | Études Tableaux D-Dur op. 39 Nr. 9 | 00:03:50 |
10 | Moment musical b-Moll op. 16 Nr. 1 | 00:07:16 |
11 | Moment musical es-Moll op. 16 Nr. 2 | 00:03:23 |
12 | Moment musical h-Moll op. 16 Nr. 3 | 00:07:31 |
13 | Moment musical e-Moll op. 16 Nr. 4 | 00:03:09 |
14 | Moment musical Des-Dur op. 16 Nr. 5 | 00:04:05 |
15 | Moment musical C-Dur op. 16 Nr. 6 | 00:05:04 |
Interpreten der Einspielung
- Boris Giltburg (Klavier)