Johann Strauss
Aschenbrödel
cpo 777 950-2
2 CD • 1h 39min • 2014
27.09.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein seltener Fall: erst unlängst in ganzer Wahrheit erforscht (vom Johann-Strauß-Editor Michael Rot) ist das letzte Werk des Walzerkönigs ausgerechnet eine Ballettmusik, die er durch Jahrzehnte schreiben wollte, jedoch zugunsten der Operette, welche er einzig aus Rivalitätsgründen (Millöcker, Suppé) in Angriff nahm und der täglichen Tanzmusik wegen, seinem eigentlichen Metier, links liegen ließ. Sein Herz gehörte dem Walzer, dem Rausch des Moments mit seinem ganzen Eros - nicht so sehr der Bühne. Aber das Ballett an sich ist unabdingbar als Einlage (‚Ballabiles‘) in jeder Operette, und wurde erwartet als Ereignis. Das Handlungs-Ballett war noch nicht wirklich in Mode, aber allseits drängte man Strauß, sich mit einem solchen zu verewigen. Er war bereit dazu, es fehlte jedoch der Stoff – ein Preisausschreiben sollte es richten; und des recht kläglichen Erfolges wegen, blieb es bei einem nach Strauß‘ Meinung mittelmäßigen Aschenbrödel, das es in Oper und Ballett schon gab. Strauß wollte Neues. Aber er entwarf dennoch in seinem letzten Lebensjahr musikalisch eben dieses Ballett - und starb darüber 1899. Nur Skizzen, Teile blieben, die der Ballettspezialist Josef Bayer (berühmt durch seine Puppenfee) nach des Meisters Tod zu einem eigenen Ganzen formte, das auch erfolgreich über die Bühne ging. Das wichtigste Skizzenmaterial aber ging verloren – und nun die Sensation: es fand sich das gestohlene Skizzenkonvolut neulich wieder! Michael Rot, der die Aschenbrödel-Musik 2001 kritisch ediert hatte, konnte nun anhand dessen am Original seine ‚rekonstruierte Urfassung‘ sanktionieren. Und wir können jetzt den Ur-Strauß, den Schwanengesang des Walzerkönigs, auf der Wiener cpo-Produktion hören: vom Wiener Radio-Orchester des ORF unter Ernst Theis sorgfältig und genuin im Ton realisiert: ein neues, altes Aschenbrödel …
Das Label cpo hat immer wieder das Besondere und Vergessene, Vergrabene oder wenigstens auf Tonträger noch nicht Hörbare veröffentlicht, und das kann man nicht hoch genug schätzen. Im diesem Fall macht das doppelt Freude; denn so gut wie die Aufnahme ist auch das Booklet von Michael Rot, der ausführlich den Fall dieses Schwanengesangs schildert, was sich wie ein Krimi liest. Zudem vermag er die historischen Zusammenhänge im Blick auf Strauß‘ Verhältnis zum Theater zu erleuchten. Und cpo gibt ihm Raum dafür. Diese Seriosität ist vorbildlich. Die Rekonstruktion der Urfassung schließt eine wesentliche Lücke, führt zurück zur wahren Intention des Meisters, ist köstlich, jedoch musikalisch nirgendwo sensationell über die Sensationen hinaus, die Strauß uns sonst geliefert hat. Das liegt gewiß an der Ballettmusik selbst, die den choreographischen Ablauf zu bedienen hat und nur selten ganz zu sich selbst kommen kann, und das heißt: zu diesen rasanten Ereignissen, in die uns der Walzerkönig immer wieder von Stück zu Stück gestürzt hat. Interessant, dass die Musik des Aschenbrödel nach unserem Gefühl unverwechselbar wird insbesondere in den ‚Zwischenspielen‘ … da könnte man gar neue Strauß-Farben heraushören, die den gängigen Ton zart konterkarieren. Das ganze Unternehmen bringt immerhin fast hundert Minuten Johann Strauß ‚original’ - es wirkt als Ganzes.
Georg-Albrecht Eckle [27.09.2018]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Strauß (Sohn) | ||
1 | Aschenbrödel (Ballettmusik) | 01:39:05 |
Interpreten der Einspielung
- ORF Radio-Symphonieorchester Wien (Orchester)
- Ernst Theis (Dirigent)