Variations
pre art music PAM 003
1 CD • 54min • 2016
01.01.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Variationen im klassischen Sinne haben etwas erfrischend Improvisiertes: Eine musikalische Idee unverrückbar im Zentrum und lebt auch weiter, wenn sie auf vielgestaltige, manchmal circensische Weise behandelt und umspielt wird. Dieses Prinzip perfektionierte schon Bach, und es entfaltete vor allem in der Wiener Klassik eine große Ausstrahlung. Ludwig van Beethoven geht in seinen Diabelli-Variationen über jeden Konvention hinaus: Wenn er hier einen harmlosen Walzer von Antonio Diabelli als Keimzelle heranzieht, nehmen grundlegendere Veränderungsprozesse ihren Lauf. Trotzdem verzettelt sich nichts, sondern präsentieren sich die Resultate in allen ihr verspielten Ausprägungen aufgeräumt, manchmal minimalistisch und pointenreich zugleich. Genau diesen Eindruck verstärkt das Bläserquintett des Basler Kammerorchesters, wenn sein Oboist Matthias Arter das Klavier-Original den eigenen Instrumenten auf den Leib geschrieben hat: Die vielen kleinen Stücke, die von Diabellis Walzer wie aus einer unerschöpflichen Quelle gespeist werden, kommen in der aufblühenden Klangpracht von Flöte, Klarinette, Horn, Oboe und Fagott noch extrovertierter und oft regelrecht humoristisch daher. Sie entfalten durch den beherzten, dynamisch homogenen Zugriff dieses Ensebles noch mehr tänzerische Anmut in verspielt-unterhaltsamer Konversation. Dagegen mutet die Klavierfassung deutlich „strenger“ an.
Heitere Geschichtenerzählerei
Allzu tiefschürfend gehen die Schweizer hier nicht zu Werke, wenn sie leichtfüßig zwischen zarter Lyrik, pointiertem Humor, zwischen beherzter Rasanz und flexibel platzierten Ruhepolen vermitteln. Die fabenreiche musikalische Geschichtenerzählerei und das Hörvergnügen haben augenscheinlich mehr Gewicht als die Grundlagenforschung, die natürlich auch immer Beethovens Sache ist. Aber Beethoven würde sicherlich zustimmen, wie Matthias Arter für dieses Unterfangen eine Klangvorstellung realisiert, die so ganz aus dem Heute kommt. Dazu gehören Hornpassagen, Klangeffektte der Bassklarinetten, perkussive Flatterzungen und vieles mehr.
Eben nicht eine musikalische Idee ausbreiten und umspielen, sondern stattdessen deren innerste „DNA“ freilegen und aufs Wesentliche zu komprimieren, das war Sache von Anton Webern in seinen Variationen op. 27. Mit einer Zwölftonreihe als Grundmaterial geht er anders und viel radikaler als Beethoven in seinen Diabelli-Variationen zu Werke. Jetzt werden Elemente in einer strengen internen Logik aufgeschichtet. Das eigentliche Wesen der Komposition, die sich keinen einzigen Ton zuviel leistet, erschließt sich erst in einem analytischen Baukastensytem. Das Wind Quintet Basel legt hier in gerade einmal sechs Minuten einen komprimierten Hörkosmos frei, der auch heute noch von einer musikalischen Zukunft kündet.
Stefan Pieper [01.01.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | 33 Variationen über einen Walzer von Diabelli C-Dur op. 120 (Diabelli-Variationen) | 00:48:01 |
Anton Webern | ||
35 | Variationen op. 27 für Klavier | 00:06:04 |
Interpreten der Einspielung
- Wind Quintet of the Kammerorchester Basel (Bläserquintett)