Ferdinand Ries
Chamber Music
MDG 903 2136-6
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2019
07.01.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Groß besetzte, konzertante Kammermusikwerke mit virtuosem Klavierpart erfreuten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Komponisten und Zuhörern einer großen Beliebtheit. Dies lag vor allem daran, dass homogene Programme wie etwa reine Klavier- oder Streichquartettabende das damalige Publikum, das von heute „klassisch“ genannter Musik unterhalten werden wollte, tödlich gelangweilt hätte. Die beiden hier eingespielten Gattungsbeiträge, die Ferdinand Ries um 1815 zur Zeit seiner Direktorentätigkeit bei der Philharmonic Society in London schrieb, legen in ihrer offenen Virtuosität und klanglichen Farbigkeit hiervon beredtes Zeugnis ab. Das Sextett op. 142 in g-moll für Klavier, Harfe, Klarinette, Fagott, Horn und Kontrabass, von dem auch eine Zweitfassung als Quintett für Klavier, Harfe (oder 2. Klavier) und Streichtrio vorliegt, nimmt durch die Verwendung zweier virtuos behandelter Akkordinstrumente eine Sonderstellung ein. Allerdings war die Kombination von Harfe und Klavier durch das Wirken von Johann Ladislaus Dussek und seiner Frau gegen 1800 geradezu Mode geworden. Sehr reizvoll das Rondo-Finale im ungarischen Duktus, dessen zweiter Seitensatz wie eine Vorahnung des „Jägerchors“ aus dem Freischütz anmutet.
Noch stärker in Richtung Klavierkonzert tendiert das Oktett op. 128 in As-Dur – die hohen Opuszahlen ergaben sich aus der späten Drucklegung in den 1830er Jahren – das auch, wenn man die Ossia-Varianten im Klavierpart berücksichtigt, als hochvirtuose Solosonate aufführbar ist. Sein Klaviersatz nutzt alle Tricks des frühen Virtuosentums à la Hummel, Kalkbrenner und Field. Die rhythmisch freien Fiorituren im Andantino und das Finale im Duktus einer Polonaise könnten leicht Frühwerken Chopins entstammen.
Das zwischen diese beiden Großformate platzierte Streichtrio WoO 70,2 zeigt Ries von einer ernsteren Seite. Die strikte thematische Arbeit in kontrapunktisch komplexen Strukturen verweisen auf seine Lehrer Beethoven und Albrechtsberger, jedoch deuten einige hochromantische Modulationen eher auf eine spätere Entstehungszeit.
Das aus Preisträgern des ARD-Wettbewerbs gebildete franz ensemble mit seinen Gästen Jonathan Wegloop (Horn) und Emily Hoile (Harfe) hat sich offensichtlich intensiv mit der Aufführungspraxis des frühen 19. Jahrhunderts beschäftigt. Schlankes, vibratoarmes Streicherspiel mit Portamenti bei Lagenwechseln realisiert die Forderungen Louis Spohrs. Edle Phrasierung mit rhythmischem Schwung charakterisiert die Bläserabteilung. Kiveli Doerken (Klavier) und Emily Hoile brillieren in ihren höchst anspruchsvollen konzertanten Solopartien. Gratulation zum gelungenen Einstand!
Hervorragende Klangtechnik und informatives Booklet geben zu keinen Klagen Anlass.
Fazit: Exzellente Aufnahmen von Werken eines immer noch unterschätzten, großen Klaviervirtuosen und begnadeten Melodikers, dem die Nachwelt, weil er sich mit dem Komponieren halt nicht quälen musste, die ihm gebührende Achtung versagte. Große Empfehlung!
Thomas Baack [07.01.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ferdinand Ries | ||
1 | Sextett g-Moll op. 142 für Harfe, Klavier, Klarinette, Fagott, Horn und Kontrabass | 00:22:52 |
4 | Trio e-Moll WoO 70,2 für Violine, Viola und Violoncello | 00:25:41 |
8 | Grand Otetto op. 128 für Klavier, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass | 00:21:37 |
Interpreten der Einspielung
- franz ensemble (Ensemble)