Ludwig van Beethoven
Lieder • Songs
DG 483 8351
1 CD • 69min • 2019
14.04.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Beethovens Liedschaffen spielt im Konzert-Repertoire der Sänger neben Schubert, Schumann und Wolf meist nur eine marginale Rolle. Auch der Bariton Matthias Goerne hat sich bisher nur gelegentlich dieser Kompositionen angenommen. Es gibt nur eine offizielle Aufnahme, ein Konzert aus der Londoner Wigmoore Hall von 2003 mit dem Zyklus An die ferne Geliebte (1816), mit Alfred Brendel am Klavier bei Decca veröffentlicht. Diese zusammenhängenden, fließend ineinander übergehenden sechs Lieder bilden nun auch den Abschluß eines ganz auf Beethoven fokussierten Recitals der Deutschen Grammophon, das Bestandteil einer Gesamtausgabe des Komponisten aus Anlaß seines 250. Geburtstages ist.
Ein früherer Zyklus, die Gellert-Lieder op. 48 (1803) mit dem auch als Choral bearbeiteten Hymnus Die Himmel rühmen des ewigen Ehre (Nr. 4) steht am Beginn des Programms, das Arbeiten aus verschiedenen Schaffensperioden bunt mischt und sich überwiegend auf Lieder konzentriert, die weniger im Bewusstsein der Musikfreunde verankert sind. Einzig Adelaide erfreut sich einer gewissen Popularität, aber Titel wie Der Liebende oder Klage trifft man im Katalog nur vereinzelt an. Die Auswahl umfasst ein weites Spektrum von Beethovens Schaffen, das auch in diesem Genre zwischen Tradition (Strophenlieder) und Innovation changiert.
Ausgereifte Interpretation
Matthias Goerne und sein Partner Jan Lisiecki haben es sich bei der Aneignung dieser Lieder nicht leicht gemacht und haben eine ausgereifte, tiefgehende Interpretation erreicht. Die Probleme für den Sänger liegen vor allem darin, dass Beethoven die Stimme immer sehr instrumental führt und nur wenige Möglichkeiten zu atmen lässt. Das hört man auch hier immer wieder. Aber man kann es in Kauf nehmen wie die oft etwas verwaschene Textartikulation, denn Goerne kompensiert diese Schwächen mit hohen sängerischen und gestalterischen Tugenden. Bewundernswert ist vor allem die große Flexibilität der Stimme, die in allen Lagen gut anspricht und über einen beträchtlichen Farbenreichtum verfügt. Von bassiger Sonorität bis zu tenoraler Leichtigkeit, von lyrischer Eleganz bis zu dramatischem Pathos reicht die Ausdruckspalette des Sängers, und so findet er für jedes der in den Stimmungen so unterschiedlichen Lieder den richtigen persönlichen Ton.
Suggestive Sogkraft
Der Glücksfall dieser Publikation ist jedoch seine Zusammenarbeit mit dem jungen kanadischen Pianisten Jan Lisiecki (Jg. 1995), der hier nicht nur ein souveräner Begleiter ist, sondern auch ein befeuernder und herausfordernder Gegenspieler. Er verfügt über die „virtuose Selbstverständlichkeit“, die nach Goernes Auffassung für die Bewältigung der Klavierparts in Beethovens Liedern Voraussetzung ist, aber zugleich über ein hohes Maß an Imaginationskraft, das die gesungenen Texte illuminiert und überhöht. Lisiecki versteht es wie nur wenige andere, mit seinem Instrument zu „erzählen“. Sänger und Pianist scheinen sich gegenseitig hochzuschaukeln, entwickeln gemeinsam – selbst in den eher beschaulichen Titeln (etwa Das Liedchen von der Ruhe) – musikalische Mini-Dramen, deren suggestiver Sogkraft sich der Hörer kaum entziehen kann.
Ekkehard Pluta [14.04.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Bitten op. 48 Nr. 1 | 00:03:41 |
2 | Die Liebe des Nächsten op. 48 Nr. 2 | 00:02:50 |
3 | Vom Tode op. 48 Nr. 3 | 00:03:24 |
4 | Die Ehre Gottes aus der Natur op. 48 Nr. 4 | 00:01:51 |
5 | Gottes Macht und Vorsehung op. 48 Nr. 5 | 00:02:07 |
6 | Bußlied op. 48 Nr. 6 | 00:04:07 |
7 | Resignation WoO 149 | 00:02:53 |
8 | An die Hoffnung op. 32 (1st version) | 00:03:41 |
9 | Lied aus der Ferne WoO 137 | 00:02:00 |
10 | Mailied op. 52 No. 4 (Wie herrlich leuchtet mir die Natur) | 00:02:00 |
11 | Der Liebende WoO 139 | 00:02:07 |
12 | Klage WoO 113 (Dein Silber schien durch das Eichengrün, 1st Version) | 00:02:44 |
13 | An die Hoffnung op. 94 (2nd Version) | 00:06:57 |
14 | Adelaide op. 46 | 00:05:30 |
15 | Wonne der Wehmut op. 83 Nr. 1 | 00:02:14 |
16 | Das Liedchen von der Ruhe op. 52 No. 3 | 00:05:48 |
17 | An die Geliebte WoO 140 (1st Version) | 00:01:01 |
18 | Auf dem Hügel sitz ich spähend op. 98 Nr. 1 | 00:02:30 |
19 | Wo die Berge so blau op. 98 Nr. 2 | 00:01:32 |
20 | Leichte Segler in den Höhen op. 98 Nr. 3 | 00:01:39 |
21 | Diese Wolken in den Höhen op. 98 Nr. 4 | 00:01:04 |
22 | Es kehret der Maien, es blühet die Au op. 98 Nr. 5 | 00:02:25 |
23 | Nimm sie hin denn diese Lieder op. 98 Nr. 6 | 00:03:46 |
Interpreten der Einspielung
- Matthias Goerne (Bariton)
- Jan Lisiecki (Klavier)