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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Johann Sebastian Bach

a new angle

MDG 906 2137-6

1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2019

25.07.2020

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Ist es legitim, Werke Johann Sebastian Bachs nachträglich für Orgel einzurichten? Mit Sicherheit! War doch der Komponist selbst ein fleißiger Bearbeiter fremder und eigener Werke. Das beginnt mit den Einrichtungen von Konzerten Vivaldis und seiner Zeitgenossen für Orgel und Cembalo, schreitet mit der Einrichtung von Sätzen für Solo-Violine oder eigener Concerti fort und endet schließlich im Recycling von Gelegenheitskantaten zum Weihnachtsoratorium. Auch bedeutete „Clavier“ im 18. Jahrhundert „Alles was Tasten hat“ und macht eine Trennung in Cembalo, Clavichord und Orgel illusorisch. Jedoch kommt es bei den größer besetzten Werken erheblich auf die Qualität der Einrichtung an.

Zwei brillante Organisten + zwei exzellente Orgeln = quadrierte Freude

Die Sinfonia der Kantate BWV 29 zeigt, wie weit Bach in seiner Bearbeitungspraxis gehen konnte, ist deren Urfassung doch das Preludio zur E-Dur Partita BWV 1006. Sie wurde im Sinne der französischen Orgelschule bereits von Marcel Dupré transkribiert. Leo van Doeselaars Bearbeitung erscheint mir jedoch stilsicherer. Da das Konzert für 4 Cembali BWV 1065 bereits die Bearbeitung des Konzerts für 4 Violinen in h-moll von Antonio Vivaldi ist, das den Violinen 2-4 eher untergeordnete Aufgaben zuweist, konnte Guy Bovet eine wirkungsvolle Transkription anfertigen, die Erwin Wiersinga mit der erforderlichen Virtuosität präsentiert. Gustav Leonhardt bearbeitete die Ciaccona aus der d-moll Violin-Partita BWV 1004 – in Anlehnung an Bachs Bearbeitungen von entsprechenden Sonatensätzen um eine Quinte nach unten transponiert – für Tasteninstrument. Diese macht sich auf der warm timbrierten einmanualigen Chororgel von Le Picard – eigentlich das Rückpositiv eines größeren französischen Barockinstruments – ausnehmend gut. Hier ist die Orgel dem Cembalo bei der Strukturierung des viertelstündigen Werks durch den ihr möglichen Farbwechsel eindeutig überlegen. Die sieben Toccaten BWV 910-916 sind auf zwei Systemen notiert, was für die meisten Orgelwerke der Zeit die Regel ist, verwenden aber durchaus eine orgelgemäße Idiomatik. Diejenige in D-Dur BWV 912 kann als andere Realisierung des Konzepts des D-Dur Präludiums BWV 532 angesehen werden. Die Kunst der Fuge BWV 1080 wurde zwar als „Kunstbuch“ in Partitur gedruckt – hier mögen die Canzonen, Capricci und Fiori musicali Girolamo Frescobaldis Vorbild gewesen sein – sind aber wohl für Tasteninstrument entworfen. Für das Italienische Konzert existieren bereits diverse „Rückübersetzungen“ in ein Konzert für Soloinstrument und Streicher. Warum es also nicht auf einer Kammerorgel spielen, zumal es die Verwendung des Pedals möglich macht, die linke Hand im Mittelsatz in zwei Klangebenen aufzuteilen. Die originellste Bearbeitung bietet der Schluss mit einem 4-händigen Arrangement des Eingangschores zu Ein feste Burg BWV 80, das die ganze Pracht der Schnitger-Orgel der Martinikerk in Groningen entfaltet.

Vorbildliche Produktion

Interpretatorisch gibt es nichts besser zu machen. Leo van Doeselaar und Erwin Wiersinga sind Meister ihres Instruments und Koryphäen auf dem Gebiet historischer Aufführungspraxis. Ihre Registrierungen entfalten die Klanglichkeit beider Instrumente in allen Facetten. Das ist einfach grandioses und interpretatorisch souveränes Orgelspiel.

Die Aufnahmetechnik bildet beide Instrumente optimal ab und dürfte auch auf Hifi-Messen als Demonstrationsobjekt Beachtung finden. Das Booklet gereicht der Produktion zur Zierde, da es nicht nur einen fundierten Einführungstext und die Dispositionen enthält, sondern den Hörer auch über die Details der Registrierung aufklärt.

Fazit: Eine Aufnahme, die wegen des hinreißenden Spiels, der bedeutenden Instrumente und deren optimaler Präsentation Spaß macht. Klare Empfehlung (nicht nur) an Orgelfans.

Thomas Baack [25.07.2020]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach/Marcel Dupré
1Sinfonia aus "Wir danken dir, Gott" BWV 29 00:03:55
2Konzert a-Moll BWV 1065 für 4 Klaviere und Orchester (nach Vivaldi) 00:10:23
5Ciaccona d-Moll BWV 1004 (aus: Partita Nr. 2 d-Moll) 00:14:26
6Toccata D-Dur BWV 912 00:11:45
7Die Kunst der Fuge BWV 1080 (Contrapunctus I, Contrapunctus V, Contrapunctus IX) 00:10:48
10Italienisches Konzert F-Dur BWV 971 (aus: Clavierübung 2. Teil) 00:14:41
13Ein feste Burg ist unser Gott BWV 80 (Kantate) 00:07:38

Interpreten der Einspielung

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