Niels W. Gade
Chamber Works Vol. 5
cpo 555 199-2
1 CD • 66min • 2015, 2016
09.11.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Name Niels Wilhelm Gade dürfte vielen nur geläufig sein, weil er zu den wenigen Komponistennamen gehört, die sich – wie auch Bach und Fesca – 1:1in Tönen wiedergeben lassen, was Robert Schumann im Album für die Jugend und Johann Gabriel Rheinberger in seinen Orgelfughetten für eine Hommage zu nutzen wussten. Dabei war Gade – neben seinem Lehrer und Schwiegervater J. P. E. Hartmann – als Vorsitzender des Musikvereins und Begründer des Konservatoriums in Kopenhagen der Fixstern des dänischen Musiklebens in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. Dort gehörten Edvard Grieg und Carl Nielsen zu seinen Studenten.
Mendelssohn mit Meeresbrise
Stilistisch lässt sich in Gades Schaffen einerseits eine Affinität zur skandinavischen Nationalromantik mit modalen Einfärbungen, die er besonders in seinen frühen Kompositionen begründete, andererseits eine geistige Verwandtschaft zur formalen Klarheit Mendelssohns feststellen. So verwendet er in seinen 1864 entstandenen Fantasiestücken op. 43 für Klarinette und Klavier Liedformen, wie wir sie auch in den Liedern ohne Worte des älteren Kollegen finden und verbindet diese mit dem Duktus der schwärmerischen Melodik seines Freundes Schumann, ohne diesen irgendwo nachzuahmen.
Das Streichquartett op. 63 aus dem Jahre 1887 hätten andere Zeitgenossen wahrscheinlich mit „Quartettino pastorale“ überschrieben, da es mit einer Aufführungsdauer von 23 Minuten ungewöhnlich kurz ist und die häufigen Bordunbässe eine rustikale Atmosphäre andeuten. Dabei ist es in seinem auf einer Terzenschichtung beruhenden Tonartenplan durchaus originell. Grundtonart ist D-Dur, die Durchführung des Kopfsatzes steht vorwiegend in F/B-Dur. Das Scherzo steht in B-Dur, das Trio eine weitere Terz tiefer in Ges(Fis)-Dur; das Andante in F-Dur hat einen Seitensatz in Des-Dur. Danach ist es ein weiterer Terzsprung zum Finale in der Grundtonart.
Das am stärksten skandinavische Stück ist das frühe Streichquintett in e-moll op. 8. Hier finden sich alle Dramatik, die modalen Blockakkorde und die Wildheit der Nachklänge von Ossian, die Gade weiland schlagartig in Deutschland und Europa bekannt machten und ihm neben seiner ähnlich erfolgreichen ersten Sinfonie die Nachfolge Mendelssohns als Chefdirigent des Leipziger Gewandhausorchesters sicherten. Da ebenfalls mit zwei Bratschen besetzt, ein lohnender Kontrast zu Mozart oder Brahms.
Exzellente Ensembles
Das Ensemble MidtVest besteht aus einem Bläserquintett, einem Streichquartett sowie einem Pianisten und hat seinen Wirkungsschwerpunkt im mitteljütländischen Herning. Klarinettist Tommaso Lonquich bläst die Fantasiestücke beseelt, tonschön und mit sängerischer Phrasierung und wird darin von Martin Qvist optimal unterstützt. Die beiden Streicherensembles haben sich intensiv mit Quar- und Quintett auseinandergesetzt, was sich in intelligenter Verteilung der Führungsrollen, einer sehr sauberen Intonation und homogener, dabei transparenter Klanggebung für den Hörer auszahlt. Dies macht ein Aufplustern im Sinne eines „interessanten“ spätromantischen Aufheizens überflüssig, ohne dass es wiederum kühl wirkte. Auf diese Weise reiht sich das Ensemble MidtVest nahtlos in die Riege exzellenter dänischer Kammerensembles wie dem Trio con Brio und dem Hannibal-Petri-Duo ein.
Der Booklet-Text eignet sich durch detaillierte Analysen der eingespielten Werke hervorragend zu einem die Satzverläufe mitvollziehenden Hören. Aufnahmetechnisch ist ebenfalls alles fein austariert.
Fazit: Eine sehr gelungene Einspielung von Kammermusikwerken, die sich durchaus auch für den Konzertsaal lohnen. Da das Streichquartett und die Fantasiestücke von eher mittlerer Schwierigkeit sind, auch für ambitionierte Laien geeignet.
Thomas Baack [09.11.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Niels Wilhelm Gade | ||
1 | Fantasiestücke op. 43 für Klarinette und Klavier | 00:11:23 |
5 | Streichquartett D-Dur op. 63 | 00:22:48 |
9 | Streichquartett e-Moll op. 8 | 00:31:28 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble MidtVest (Ensemble)