Music from Proust's Salons
BIS 2522
1 CD/SACD stereo/surround • 83min • 2019
05.05.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Angelehnt an das Geländer zur einen Seite des Tores steht ein eleganter Pavillion; vor der Tür ist ein großer roter Teppich auf den Sand ausgerollt; Blumen, Rosen schmücken den Weg. Auf der Türschwelle, liebenswürdig, lächelnd, gediegen, empfängt der Herr dieses friedvollen Hauses die Freunde, die er geladen hat. Ein Orchester, versteckt in einem Hain, flüstert süße Musik“. So beschrieb Marcel Proust 1894 einen der zahlreichen Pariser Salons. Sie waren Treffpunkt für alle, die Rang und Namen hatten, wobei Künstler einen besonderen Raum einnahmen. Für Komponisten boten die Salons die Möglichkeit, neue Werke auszuprobieren und dem Publikum vorzustellen. Mit seiner CD „Music from Proust’s Salon“ gewährt der britische Cellist Steven Isserlis gemeinsam mit der Pianistin Connie Shih nun einen Einblick in die wunderbare und manchmal etwas dekadente Welt der Pariser Salons. Und in der Tat handelt es sich bei den Komponisten, die hier gespielt werden um solche, die Marcel Proust gekannt hat und deren Œuvre er schätzte.
Einblicke in Prousts Salon
Den Anfang macht Isserlis mit Reynaldo Hahn, engem Freund und zeitweise Liebhaber von Proust. In Venezuela geboren, galt er früh als musikalisches Wunderkind und machte sich vor allem mit seinem Liedschaffen einen Namen in Frankreich. Proust schwärmte von ihm in den höchsten Tönen, wobei er aber natürlich nicht unvoreingenommen war. Dennoch bestechen seine Variations chantantes durch ihre Gesanglichkeit und Innigkeit, hier anrührend umgesetzt von Isserlis. Ebenfalls sehr beliebt in den Salons war Gabriel Fauré, den Proust sehr verehrte. So schrieb er 1897 in einem Brief an den Komponisten: „Ihre Musik schätze ich nicht nur, bewundere ich nicht nur, verehre ich nicht nur – ich habe mich und bin immer noch in sie verliebt.“ Romance und Elegie, die Isserlis an dieser Stelle gewählt hat, sind mit ihrer fließenden und schwelgerischen Melodie ein ‚typischer Fauré‘ und Balsam für die Seele. Dem Cellisten, der im übrigen ein Violoncello von Stradivari spielt, gelingt auch hier eine ausdrucksstarke Interpretation. Von etwas anderem Kaliber als die mehrheitlich etwas kleineren Charakterstücke ist die Sonate c-Moll op. 32 von Camille Saint-Saëns: Diese schrieb er 1872 im Andenken an seine Großtante, die ihn neben seiner Mutter großgezogen hatte. Feurig beginnt das Werk voller Energie, die Isserlis problemlos und gewohnt wild umsetzt. Hierbei ist er nicht alleine, denn auch Shih tritt spätestens an dieser Stelle der Aufnahme aus dem Schatten heraus und zeigt sich mehr als gleichberechtigte Partnerin denn als Begleiterin. Kontrastreich gelingt dem Duo der zweite Satz, akzentuiert und hochvirtuos der dritte, ein feuriger Abschluss der Finalsatz. In ganz andere Klangwelten entführt die Platte mit dem Lamento Henri Duparcs, der in jungen Jahren geisteskrank wurde und heute fast nur für seine Lieder bekannt ist. Der vorliegende Satz stammt aus einer unveröffentlichten Cellosonate. Mit Augusta Holmès erklingt auch ein Werk einer Komponistin auf der CD.
Berührend und packend
Frauen hatten in der Regel in den privaten Salons bessere Chancen, als schaffende Künstlerinnen gehört zu werden denn auf den großen Bühnen der damaligen Zeit. Bei dem vorliegenden Auszug aus ihrer Kantate La Vision de la Reine handelt es sich um eine Bearbeitung von Isserlis selbst. Augusta Holmès verzauberte so manchen Pariser, so beispielweise César Franck, dessen Sonate A-Dur in der Cellofassung am Ende der Aufnahme steht. Proust hob Franck und dessen Musik in den Himmel – vergleichbar war für ihn lediglich Beethoven. Einmal ließ er ein Streichquartett mitten in der Nacht ins Haus kommen – nur, um Francks Streichquartett für ihn zu spielen. Nach der Reise in die Pariser Salons zur Zeit um im Umfeld von Marcel Proust beenden Steven Isserlis und Connie Shih ihre Aufnahme mit dem wahrscheinlich bekanntesten Werk der Zusammenstellung. Und auch dieses setzen die beiden Interpreten regelrecht meisterhaft und stellenweise in Isserlis typischer Manier um: Immer berührend und packend, voller Klang, immer wieder auch mit Mut zum zupackenden Spiel. Alles in allem also eine wunderbare Aufnahme, die den musikalischen Salon des 19. Jahrhunderts in das heimische Wohnzimmer bringt.
Verena Düren [05.05.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Reynaldo Hahn | ||
1 | Variations chantantes sur un air ancien | 00:04:54 |
Gabriel Fauré | ||
2 | Romance op. 69 | 00:03:41 |
3 | Elégie c-Moll op. 24 für Violoncello und Klavier | 00:06:51 |
Camille Saint-Saëns | ||
4 | Sonate Nr. 1 c-Moll op. 32 | 00:19:54 |
7 | Allegro quasi presto (Originales Finale der Cellosonate Nr. 1) | 00:08:49 |
Henri Duparc | ||
8 | Lamento (2. Satz der Cellosonate a-Moll) | 00:01:55 |
Augusta Holmès | ||
9 | Récitatif et Chant (aus der Kantate La Vision de la Reine) | 00:07:21 |
César Franck | ||
10 | Sonate A-Dur für Violoncello und Klavier | 00:28:22 |
Interpreten der Einspielung
- Steven Isserlis (Violoncello)
- Connie Shih (Klavier)