Ludwig van Beethoven
Diabelli-Variationen op. 120
Perfect Noise PN 1902
1 CD • 53min • 2018
07.05.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Schöner als Alfred Brendel hat niemand beschrieben, wie Beethoven das triviale Thema der Diabelli-Variationen traktiert: Es wird „kommentiert, kritisiert, verbessert, parodiert, verlacht, ad absurdum geführt, missachtet, verzaubert, verklärt, beklagt, beweint, zerstampft und schließlich belächelt.“ Und Theodor W. Adorno sagt über die letzten Werke Beethovens, auch die Diabelli-Variationen betreffend: „In die versteinerte Landschaft führt kein Weg.“
Kontrastreich
Die Metapher von der „versteinerten Landschaft“ führt zur Deutung von Jacob Leuschner. Der reizt die dynamischen, charakteristischen, atmosphärischen und harmonischen Kontraste aus und zielt auf Überwältigung. Ihm dampft, so scheint es, der Interpretations-, Mitteilungs- und vor allem Überzeugungsdrang aus allen Poren. Seine Diabelli-Variationen klingen härter, bestimmter, gemeißelter, kantig-kauziger als die vieler seiner Kollegen. Alfred Brendel etwa wirkt da intellektueller, durchgeistigt-kühler, gleichzeitig eleganter in den noch rudimentär vorhandenen Tanzformen des Anfangswalzers und des Schluss-Menuetts.
Schon beim Thema überzeugt bei Jacob Leuschner die vollkommene Ausgewogenheit zwischen der Rechten und der Linken – vielleicht sogar die Überbetonung der Linken, was schon zu Beginn zum Anschein einer maßlosen Monumentalität führt. Das wird gleich in Variation I mit fast zornigen Bass-Einwürfen und dem Auftürmen eines „zyklopischen Akkordgebirges“ (Werner Oehlmann) weitergeführt – Beethoven zerstampft das Thema, wie auch in Variation 27. In der darauffolgenden Variation 28 realisiert Leuschner genau die „unwirsch-grimmige Energie“, von der er im Booklet spricht. Notabene: Hervorragend gelingt es Jacob Leuschner, hier ganz der Klavier-Professor, jede Variation so knapp wie treffend zu beschreiben.
Die Leere als das Gestaltende
Widerspruchsvoll-perfekt gelingen Leuschner die geradezu ironischen Pausen in Variation 13: die Leere als das Gestaltende. Gravität, aber keine sakrale Feierlichkeit herrscht in der ruhigen Variation 14, eben das von Beethoven verlangte grave e mastoso.
Bezwingend ist die Variation 18 gestaltet, nicht in mystisch (die Klangmystik scheint Leuschner hier überhaupt nicht das Erstrebenswerte zu sein) „unwirklicher Beleuchtung“ (Jürgen Uhde), sondern als kontrapunktisches Frage-und-Antwortspiel, wobei Leuschner das aufwärtsgerichtete Frage-Motiv drängend-stärker betont, so dass die Antwort schwächer wird: Gibt’s überhaupt eine Antwort auf irgendwas? Das tendiert dann doch wieder zu einer intellektuellen Mystik. Ganz weichen Anschlag zeigt Leuschner dann in der vorletzten Variation, bis schließlich elegant und schwerelos – und wieder als Frage – alles endet. Keine Antwort, nirgends.
Rainer W. Janka [07.05.2021]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | 33 Variationen über einen Walzer von Diabelli C-Dur op. 120 (Diabelli-Variationen) | 00:53:18 |
Interpreten der Einspielung
- Jacob Leuschner (Klavier)