Beethoven
Coriolan Overture • Eroica
CAvi-music 8553487
1 CD • 60min • 2020, 2019
29.08.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Aufnahmen von Arthur Schoonderwoerd mit seinem Ensemble Cristofori sind ein musikologisches Dauer-Experiment: Ihn geht es weniger um Tempo, Akzentuierung, Phrasierung oder die Architektur – sondern um Klang. Nämlich um den Klang, der entsteht, wenn die Werke mit der Anzahl von Musikern gespielt werden, die den Komponisten damals zur Verfügung stand. Beethovens Eroica ist im Palais Lobkowitz uraufgeführt worden, in einem Saal mit ca. 115 qm Fläche, in den – so Schoonderwoerd – nur 24 Musiker passten und ähnlich wenige Zuhörer. Laut dem Beethoven-Biografen Jan Caeyers waren es 27 Spieler… es spielt also immer nur ein Musiker pro Instrument. Das hört sich manchmal wie ein Streichquartett mit Bläsern an.
Das dient zunächst mal der Transparenz: Man hört wirklich jede einzelne Note – und das ist bisweilen irritierend, weil manches in der Tat so ist, wie es der Begriff Kontrapunktik sagt: Punctum contra punctum. Das „contra“ wird dann zum Hauptpunkt. Und schon fragt man sich: Ist das vom Komponisten so beabsichtigt?
Behäbig und verloren
Wenn man so viel weniger Musiker vor sich hat, könnte man eigentlich das Tempo anziehen, weil das Ensemble viel wendiger ist. Schoonderwoerd tut das nicht. Die Coriolan-Ouvertüre wirkt, trotz der spürbaren Erregtheit und Unruhe in den Violinen, behäbig. Schoonderwoerd braucht 09:05 Minuten, wo ein Carlos Kleiber 8:32 und im Jahre 1994 sogar nur 8:14 braucht, sein Vater Erich Kleiber gar nur 7:54 und sogar ein Furtwängler im Jahr 1943 nur 9:01. Und manchmal hören sich die Einzelviolinen arg verloren und hilflos an.
Spinnwebdurchsichtiger Orchesterklang
Für Beethovens Eroica verwendet Schoonderwoerd sogar nur 20 Musiker: Die Symphonie wirkt wie buchstabiert, so ausgedünnt ist der Klang, so wenig sämiger orchestraler Fluss herrscht hier. Manchmal meint man, einer Orchesterprobe beizuwohnen. Bei einem Geigen-Unisono ist jeder winzige Tonunterschied hörbar, nichts „mischt sich“. Dafür darf die Pauke sich als Solo-Instrument profilieren. Der Beginn des Finales ist so spinnwebdurchsichtig, dass man meint, etwas aus Bachs Kunst der Fuge zu hören.
Und wieder herrscht merkwürdigerweise weniger Spannung und weniger Drive als bei einer Großbesetzung. Aber lebt Beethovens weltumarmende Musik nicht vor allem von der orchestralen Wucht, von seinem Überwältigungsfuror? So gibt’s nichts Prometheisches, kein Heldenpathos, wie es Martin Geck beschreibt (Von Beethoven bis Mahler. Leben und Werk der großen Komponisten des 19. Jahrhunderts): „entschlossen im Kampf, triumphal in der Festfreude, würdig in den Tod“.
Das ist das Resultat, wenn man nicht Tempo, Akzentuierung, Phrasierung oder Architektur, sondern nur den – scheinbar – originalen Klang sucht.
Rainer W. Janka [29.08.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Coriolan-Ouvertüre c-Moll op. 62 | 00:09:05 |
2 | Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (Eroica) | 00:50:36 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Cristofori (Orchester)
- Arthur Schoonderwoerd (Dirigent)