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Besprechung CD

Giuseppe Sammartini

Sonatas for Recorder and Basso Continuo

Aeolus AE-10336

1 CD • 77min • 2019

29.01.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Andreas Böhlen, Michael Hell, Daniel Rosin und Pietro Prosser setzen mit einem Vol. 2 ihre Einspielung der Blockflöten-Sonaten von Giuseppe Sammartini (1695-1750) fort. Vol. 1 mit Werken aus dem Parma-Manuskript geriet durchaus sensationell. Die zweite Siebenergruppe entstammt einer weiteren Sammlung, die es in die Sibley-Library nach Rochester (USA) verschlug. Giuseppe war der ältere Bruder Giovanni Battista Sammartinis, von dem der junge Mozart die Streichquartettkomposition erlernte, und wirkte ab ca. 1730 als vielgerühmter Oboist und Flötist – unter anderem im Orchester Händels – in London.

Anspruchsvolles, originelles Repertoire

Sammartinis Sonatenschaffen blieb in zwei umfangreichen Handschriften erhalten, deren eine mit 17 Blockflöten-Sonaten heute in Parma aufbewahrt wird. Die andere fand ihren Weg in die Bibliothek der University of Rochester. Dieser Band enthält neben Oboen- und Violinsonaten 15 für Blockflöte, wobei manche Werke doppelt überliefert wurden, sodass ein Gesamtbestand von 23 Werken für diese Besetzung erhalten blieb. Aufgrund der etwas abseitigen Quellenlage fanden sie bei der Wiedererweckung des Repertoires, die sich vorzugsweise auf die im 18. Jahrhundert gedruckten Werke beschränkte, erst spät Berücksichtigung, sodass der Gesamtcorpus bisher noch nicht in Neuauflagen zur Verfügung steht. Zudem sind sie – wenngleich ohne die streicherinspirierten Gemeinheiten eines Antonio Vivaldi – für Profis geschrieben und durch unangenehme Spielfiguren, galante Rhythmik sowie viele bereits notierte Ornamenten spieltechnisch anspruchsvoller als etwa die Sonaten Georg Philipp Telemanns. Dem Bass fehlt jegliche Bezifferung, sodass in der Continuo-Gruppe Erfahrungen mit der italienischen Tradition des Partimento – der Improvisation eines Solostücks aus einer Bass-Stimme – erforderlich sind. Dies besonders, weil Sammartini bewusst Leerstellen in den Solopart einbaut, indem er beispielsweise im Adagio der C-Dur-Sonate (Sibley 7, nicht 8, wie im Booklet angegeben) 72 mal ein Arpeggio als rhetorische Figur der Perfidia, die Sturheit ausdrückt, wiederholt. Dies ist im Partimento das Signal, dass sich die anderen Stimmen interessant machen dürfen. An anderen Stellen wiederum überrascht er mit harmonischen Rückungen, die nur zum Teil auf neapolitanische Vorbilder zurückgehen. Formal finden sich sowohl die viersätzige Sonata da Chiesa als auch die dreisätzige „galante“ Stretta-Anlage (langsam, schnell, schneller).

Nicht ganz so überzeugend wie Vol. 1

Während Andreas Böhlen in Vol. 1 die Affekte sehr fein auslotete und dabei enorm großen Wert auf Kantabilität legte, geht er in Vol. 2 etwas weniger sensibel und präzise ans Werk. Die sehr geschwind genommenen Allegri machen ob der Flinkheit der Finger zwar staunen, verpuffen jedoch wegen des in diesem Tempo nicht mehr funktionierenden Mikro-Timings. Das wirkt dann oft ein wenig ungefähr. Selbstverständlich hat jeder seine Lieblingsverzierungen. Hier wird der auftaktige („anprallende“) Doppelschlag vor einem akzentuierten Ton, der zugegebenermaßen gut in den Fingern liegt, zur allgegenwärtigen Manier. Auch wirken einige langsame Sätze ein wenig überornamentiert, was an der mangelnden Präzision ihrer Ausführung liegt. Waren die Staccati in Vol. 1. leicht, elegant und fluffig, kommt es in Vol. 2 zu unfreiwilligen Akzenten durch das zu scharfe Herausbellen von Tönen (g2, c3, d3 sind hierfür besonders anfällig). Insgesamt wird mir hier zu viel Oberflächendampf erzeugt, den Böhlen besser der ihm weitaus unterlegenen blockflötistischen Mittelklasse (Oberlinger, Temmingh, Steger) als Stilmittel überlässt. Die Continuo-Gruppe versucht eisern, den Takt zu halten und differenziert metrisch deshalb zu wenig. Auch hätte ich mir von einem so brillanten Cembalisten wie es Michael Hell ohne Frage ist, mehr Einfälle und figurative Impulse gerade an den dafür vorgesehenen Leerstellen des Soloparts gewünscht. Daniel Rosin ornamentiert gelegentlich recht hübsch, realisiert jedoch den Unterschied zwischen „guten“ und „schlechten“ Taktteilen zu wenig, was ein Schwingen der schnellen Sätze verhindert.

Klangtechnisch wurde das Cembalo zu sehr in den Hintergrund verbannt. Die drei unterschiedlichen Blockflöten klingen etwas farbloser als die in Vol. 1 verwendeten Instrumente von Adrian Brown und Francesco LiVirghi. Sonderlob und eine Aufwertung im Gesamteindruck verdienen der – wie immer – ungemein kompetente Booklet-Text von David Lasocki und die genauen Angaben zu den Instrumenten.

Fazit: Eine gute, jedoch nicht herausragende Aufnahme von weiteren 7 Blockflötensonaten Giuseppe Sammartinis. Für Blockflötisten ein Muss, weil man das Repertoire kennen sollte und von der Einspielung viel lernen kann. Alle Novizen mögen zu dem wirklich exzellent gelungenen Vol. 1 greifen.

Thomas Baack [29.01.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Giuseppe Sammartini
1Sonata C-Dur Sibley 8 GSM 1308a 00:13:15
5Sonata a Flauto Solo con il Basso F-Dur Sibley 18 GSM 1317a 00:06:23
9Sonata a Flauto Solo con il Basso f-Moll Sibley 16 GSM 1315 00:09:37
12Sonata a Flauto Solo con il Basso C-Dur Sibley 26 GSM 1325 00:14:30
15Sonata a Flauto Solo con il Basso d-Moll Sibley 20 GSM 1319 00:12:51
18Sonata a Flauto Solo con il Basso D-Dur Sibley 17 GSM 1316 00:08:17
21Sonata a Flauto Solo con il Basso g-Moll Sibley 14 GSM 1313a 00:11:17

Interpreten der Einspielung

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