Georg Philipp Telemann
Pimpinone oder Die ungleiche Heirat
cpo 555 394-2
1 CD • 71min • 2020
25.04.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es verwundert, dass von Georg Philipp Telemanns Commedia-dell‘-Arte-Adaption Pimpinone bisher nur wenige Aufnahmen existieren, handelt es sich doch um ein Bravour-Stück für zwei Gesangsvirtuosen mit Streicherbegleitung, das so eingängig wie komisch ist. Deshalb darf man für diese Neuaufnahme mit Marie-Sophie Pollak, Dominik Köninger und den Streichern der Akademie für Alte Musik Berlin mehr als dankbar sein. Dass Telemann hier mit „größter Lust“ bei der Sache war und zu Hochform auflief, erklärt sich auch aus dessen Biographie.
Pantalone e Colombina
Die Handlung des Pimpinone folgt einem Muster der italienischen Stegreifkomödie, in dem eine junge Frau es einem reichen Geizhals so richtig zeigt. Das Werk entstand etwa gleichzeitig mit Giovanni Battista Pergolesis La Serva padrona auf der Basis eines Librettos, das Tommaso Albinoni bereits ein Jahrzehnt zuvor vertont hatte. Für die Fassung der Hamburger Gänsemarkt-Oper wurde es jedoch mit zusätzlichen deutschen Arien und neuen Rezitativen versehen. In derselben Ahnenreihe stehen übrigens die Kaffeekantate, der Barbier von Sevilla, Don Pasquale und die Schweigsame Frau von Richard Strauss. Telemann musste die Komposition dieses Librettos schon deshalb reizen, da er in zweiter Ehe mit einer echten Vespetta verheiratet war, die schließlich unter Hinterlassung erheblicher Schulden mit einem dänischen Offizier durchbrannte.
Die Gesangspartien wurden für die beiden damaligen Stars der hanseatischen Opernunternehmung entworfen und sind dementsprechend höchst anspruchsvoll. Vespetta ist eine Koloratursoubrette, die allerdings im dritten Intermezzo auch dramatisch-kratzbürstig agieren können muss. Pimpinone ist ein hoher Bariton, dem sowohl Koloraturgewandtheit als auch Parlando-Virtuosität abgefordert werden. Seine Bravour-Arie „So quel che si dice“, die zur Imitation zweier Klatschweiber zusätzlich im Sopran- und Alt-Schlüssel notiert ist, erfordert erhebliche Charakterisierungskunst und countertenorale Fähigkeiten mit abrupten Registerwechseln bis zum eingestrichenen B (Track 19). Herrlich dann das folgende Streit-Duett (Track 23) – ein Exkurs in modischen Beschimpfungen des Barock.
Referenz-Aufnahme
Marie-Sophie Pollak, Dominik Köninger und den Streichern der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Konzertmeister Georg Kallweit ist eine Referenzaufnahme des Pimpinone gelungen. Dies liegt nicht zuletzt am „sprechenden“ Spiel des Streicherensembles und der präzisen Erfassung der zugrundeliegenden, das Tempo bestimmenden Tanzcharaktere. Die beiden Solisten verfügen über die unbedingt erforderliche virtuose Gesangstechnik und haben es nicht nötig, auf billige, nur vermeintlich komische Effekte zurückzugreifen. Ihre Stimmen tanzen leicht durch die schwungvollen Tempi. Da Capos werden im Sinne zusätzlicher Charakteristik verziert. Vorbildlich auch Artikulation des Textes und die Klangmischung in den Duetten.
Die Aufnahmetechnik fängt das turbulente Geschehen vorbildlich ein. Der Booklet-Text bietet das vollständige Libretto und klärt über den historischen Hintergrund umfassend auf.
Fazit: Eine Referenzaufnahme! Die bereits sehr gute – jedoch nur noch über Streaming oder in größeren Anthologien greifbare – Einspielung mit Uta Spreckelsen und Sigmund Nimsgern wird abgelöst durch diese Aufnahme, die sich durch noch größere Eleganz und das sprechendere Streicherspiel als überlegen erweist. Diesen wichtigen Meilenstein der komischen Oper in Deutschland sollte jeder im Regal haben. Deshalb eine absolute Empfehlung, die gute Laune garantiert!
Thomas Baack [25.04.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Pimpinone oder Die ungleiche Heirat (Komische Intermezzi) | 01:10:54 |
Interpreten der Einspielung
- Marie-Sophie Pollak (Vespetta - Sopran)
- Dominik Köninger (Pimpinone - Bass)
- Akademie für Alte Musik Berlin (Orchester)
- Georg Kallweit (Dirigent)