Ferdinand Hiller
Piano Quartet op. 133 • Piano Quintet op. 156
cpo 555 312-2
1 CD • 77min • 2010
06.06.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Auch Ferdinand Hiller (1811-1885) gehört zu den zu Unrecht weitestgehend vergessenen Hochromantikern. Das mag durchaus an seiner bei Johann Nepomuk Hummel – somit als Enkelschüler Mozarts – klassizistischeren, strenger am Handwerk orientierte Ausbildung zu leichtem Komponieren mit hoher Produktivität liegen. Andererseits wurde er neben Brahms zum Antipoden der neudeutschen Schule aufgebaut, da er sich kritisch über die Sinfonischen Dichtungen seines Jahrgangsgenossen und Jugendfreundes Franz Liszt geäußert hatte, dessen kompositorisches Training wesentlich oberflächlicher ausgefallen war.
Komponist, Klaviervirtuose, Dirigent, Literat und Lehrer
Wen kannte Ferdinand Hiller eigentlich nicht? Mendelssohn, Liszt, Chopin waren Jugendfreunde aus der Pariser Zeit, wo er auch Heine, Ludwig Börne und Rossini kennenlernte. Mit Robert Schumann schrieb er gemeinsam in der „Neuen Zeitschrift für Musik“. Er verfügte über eine durchaus spitze Feder, wofür „ …die Regel, von den Todten nur Gutes zu sagen, schien mir von jeher absurd. Viel besser wäre es, von den Lebenden nicht so viel Schlimmes zu reden“ als Beispiel genügen mag.
Interessant, dass er als Kompositionslehrer – mit immerhin so prominenten Schülern wie Max Bruch und Engelbert Humperdinck – ein Anhänger der auf der neapolitanischen Methode basierenden Ausarbeitung von Partimento-Bässen war, die auch am Pariser Konservatorium gelehrt wurde. In seinem Lehrbuch „Uebungen zum Studium der Harmonie und des Contrapunktes“ finden sich im Anhang zwei ausgeführte Arbeiten über Bässe des Maestro napolitano Fedele Fenaroli (1730-1818).
Die beiden großformatigen Klavierkammermusikwerke erfordern – da für den Eigenbedarf geschrieben – einen virtuosen Pianisten, der sich im rechten Moment unterzuordnen versteht. Der Klaviersatz selbst tendiert mehr zu gallischer-flüssiger Transparenz als zu teutonischer Wucht, steht also Camille Saint-Saëns und Gabriel Fauré näher als Johannes Brahms. Auffallend ist eine gewisse Tendenz, Themen zunächst in etwas farbloser Gestalt zu präsentieren, um sie im Verlauf des Satzes in voller Pracht aufleuchten zu lassen. Tonartgemäß ist das a-Moll-Quartett dramatischer gehalten als das mehr lyrisch-pastorale G-Dur-Quintett.
Souveräne Interpretation
Oliver Triendl und das Minguet-Quartett machen – wie mittlerweile schon zu erwarten – alles richtig. Die Balance zwischen Klavier und Streichern ist vorbildlich. Steigerungen werden ausgekostet. Das Musizieren bleibt immer schlank und auf gallische-klare Eleganz ausgerichtet, was dem Komponisten sicherlich angemessener ist, als ein überdramatisch-druckvoller Sound, der leicht Gefahr läuft, sentimental zu wirken.
Die Aufnahmetechnik ist der Interpretation angemessen. Der äußerst umfangreiche, kluge und höchst informative Begleittext von Michael Wittmann, gibt mir die seltene Gelegenheit, den Gesamteindruck aufzuwerten.
Fazit: Interessante Kompositionen eines einst Berühmten, dann schnell Vergessenen. Die Themen sind etwas diffuser, als Vergleichbares von Schumann oder Brahms. Wer genau hinhört entdeckt aber immer wieder Neues. Warum nicht auch einmal im Konzertsaal in direkter Verbindung zu den beiden Genannten?
Thomas Baack [06.06.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ferdinand Hiller | ||
1 | Klavierquartett Nr. 3 a-Moll op. 133 | 00:37:26 |
5 | Klavierquintett G-Dur op. 156 | 00:39:17 |
Interpreten der Einspielung
- Minguet Quartett (Streichquartett)
- Oliver Triendl (Klavier)