ZwischenSpiel
Giorgios Karagiannis Piano
Ars Produktion ARS 38 608
1 CD • 62min • 2021
16.07.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als „Zwischenspiel“ in seinem Leben während der Pandemie bezeichnet der griechische Pianist Giorgios Karagiannis seine CD, die einfach Lieblingsstücke von ihm aneinanderreiht. Geboren ist er in Griechenland, wo er in Korfu sein Bachelor- und Masterstudium abschloss, dann wechselte er an die Staatliche Hochschule für Musik in Trossingen, wo er sein Konzertdiplom ablegte, und schließlich studierte er an der an der Musikhochschule Hannover Lied-Begleitung.
Mehr Tiefe und Überschwang
So gedankenvoll-versonnen, wie Karagiannis auf dem Cover dreinschaut, ist auch sein Spiel: sehr achtsam und bedachtsam, dem Notentext nachdenklich nachspürend, dabei so buchstäblich notengetreu, dass man während des Hörens innerlich Partitur lesen könnte.
Genau das ist aber auch das Problem von Karagiannis: Irgendwas fehlt beim Hören dann, entweder noch ein Gran mehr an spiritueller Tiefe oder an überwältigendem Überschwang, der über das Notenbuchstabieren hinausgeht.
So spielt er die drei Intermezzi op. 117 von Brahms genau und klar, gedanken-, aber wenig geheimnisvoll. Er will wohl keine nordischen Nebelschauer malen, sondern bei aller elegischen Melancholie strukturbewusst bleiben.
So buchstabiert er in der a-Moll-Schubert-Sonate D 784 achtsam und bedachtsam, durchaus auf Klangwirksamkeit bedacht – aber man möchte doch im Kopfsatz das Ausschreiten der emotionalen Ödnis, die Schuberts etwas leerer Klaviersatz hier malt, tiefsinniger hören. Das liebliche holzbläsersatzähnliche Seitenthema müsste bei aller Klanggenauigkeit doch trauerumflorter sein. Wenn die Unisono-Oktaven machtvoll in die Tiefe stürzen und die Durchführung sich in fantasievolle Weiten entfernt, versickert die Spannung etwas – was sich besonders im Vergleich mit Alfred Brendels Spiel (Decca 1972) zeigt, der auch die vielen abgerissenen Achtel deutlicher hervorhebt. Im zweiten Satz hat man den Eindruck, Karagiannis wolle uns zeigen, welche Rolle die Bausteine des Balladenthemas im Laufe der Bearbeitung haben. Im Finalsatz rollen die Scarlatti-ähnlichen Triolenläufe nicht spritzig-feurig genug, immer wieder hält Karagiannis versonnen inne – dafür gelingt ihm die lichtvoll-zarte Reprise in A-Dur des Seitenthemas.
Mehr Tempo
Besonders aber stört das Fehlen des Überschwangs im Finalsatz der Les-Adieux-Sonate von Beethoven. Joachim Kaiser schreibt dazu in „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“: „Das Finale, ein brausendes Virtuosenstück, wird nicht der weiseste Pianist am angemessensten spielen, sondern derjenige, der die glanzvollste Technik besitzt, der am saubersten greifen, den feurigsten, klarsten und gleichmäßigsten ‚Vivacissimamente‘-Impuls herausdonnern kann.“ Karagiannis will hier den weisen Pianisten geben. Nur ein kleiner Tempovergleich: Karagiannis braucht für diesen überschäumend-rasenden Satz 6:46, Gerhard Oppitz 6:05, Michael Korstick 5:47, Alfred Brendel 5:37 und Friedrich Gulda sogar nur 5:04! Eineinhalb Minuten sind hier ein gewaltiger Zeitunterschied.
Mehr Erregung
Bedachtsamkeit ist hier nicht gefragt: Die Oktavenschläge ab Takt 37 müssen klirren vor Hochspannung, die Sechzehntelfiguren ab Takt 45 müssen zittern vor Erregung, die chromatisch nach oben sich windenden Oktaven in T. 84/85 müssen unaufhaltsam drängen und die Begleitakkorde in der Linken ab T. 122 dürfen eben nicht nur begleiten, sondern müssen hämmernd-emotionsbeschleunigendes Strukturelement sein.
Sehr erfreulich wohltuend aber ist es, wie harmonisch abgerundet und satt der Klang des verwendeten Steinways eingefangen und abgebildet ist.
Rainer W. Janka [16.07.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 26 Es-Dur op. 81a (Les Adieux) | 00:19:01 |
Franz Schubert | ||
4 | Klaviersonate Nr. 14 a-Moll op. 143 D 784 | 00:25:29 |
Johannes Brahms | ||
7 | Intermezzo Es-Dur op. 117 Nr. 1 | 00:05:22 |
8 | Intermezzo b-Moll op. 117 Nr. 2 | 00:04:53 |
9 | Intermezzo cis-Moll op. 117 Nr. 3 | 00:06:31 |
Interpreten der Einspielung
- Giorgos Karagiannis (Klavier)