Haydn Cello Concertos in C & D • Hindemith Trauermusik
BIS 2507
1 CD/SACD stereo/surround • 61min • 2021
16.09.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Schweizer Cellist Christian Poltéra, Jahrgang 1977, hat im Laufe der letzten gut 15 Jahre eine sehr beachtliche Diskographie eingespielt. Allein bei seinem (faktischen) „Hauslabel“ BIS sind mittlerweile rund 20 Veröffentlichungen mit ihm am Cello erschienen, darunter eine ganze Reihe von Cellokonzerten des 20. Jahrhunderts (und – natürlich – das Dvořák-Konzert). Mit der vorliegenden neuen SACD erweitert Poltéra zusammen mit dem Münchener Kammerorchester seinen Katalog von Einspielungen um die beiden Konzerte von Joseph Haydn, ergänzt um den langsamen Satz aus Haydns Sinfonie Nr. 13 (der in der Tat eigentlich ein Konzertsatz mit solistischem Cello ist). Abgeschlossen wird das Programm von Paul Hindemiths Trauermusik.
Agile, unprätentiöse und temperamentvolle Lesarten
Poltéras Haydn ist grundsätzlich schlank, agil und schwungvoll gehalten, sein Spiel ist elegant und angenehm unprätentiös, technisch ausgesprochen souverän. Passagen wie die a-moll-Eintrübung im ersten Satz des C-Dur-Konzerts in Takt 67 spielt Poltéra mit lust- und temperamentvoller Attacke, ganz ähnlich auch im zweiten Satz dieses Konzerts ab Takt 66, wo er wiederum die Moll-Passage durchaus dramatisch akzentuiert versteht. Gelegentlich baut er kleinere, wohldosierte Verzierungen mit ein; die Kadenzen stammen von ihm selbst und seinem Lehrer Heinrich Schiff und spinnen das Material geschmackvoll und bei aller gebotenen Freiheit stilistisch konsistent weiter. In der Wahl der Tempi bewegt sich Poltéra eher auf der schnelleren Seite. Gerade die langsamen Sätze (immerhin alle mit der Vortragsanweisung Adagio versehen) könnten allerdings einen Hauch mehr Ruhe vertragen, und auch im Finale des zweiten Cellokonzerts würde etwas mehr Zurückhaltung den leicht bukolischen Charakter, den dieser Satz besitzt, noch stärker zur Geltung bringen.
Einflüsse der historischen Aufführungspraxis
Deutlich stärker als Poltéra ist das renommierte Münchener Kammerorchester bestrebt, Elemente der „historisch informierten Aufführungspraxis“ in sein Spiel einfließen zu lassen, eine Diskrepanz, die immer wieder leicht irritierend wirkt. So verzichtet das Orchester im Gegensatz zu Poltéra (weitgehend) auf Vibrato, auf Kosten einer gewissen Wärme, die dem Orchesterpart eigentlich gut bekommen würde. Störend sind auch (z.B. im Finale des ersten Konzerts oder im Kopfsatz des zweiten, dort u.a. gleich ab Takt 10) die teils – sicherlich absichtlich – überpräsenten Hörner, deren Stütztöne manchmal den Rest des Orchesters deutlich übertönen, ein Effekt, der m.E. überreizt wird. Dagegen könnten dialogische Elemente wie z.B. in Takt 77/78 im ersten Satz des C-Dur-Konzerts noch stärker herausgearbeitet werden. Wenn man als Vergleich Aufnahmen aus jüngerer Zeit hinzuziehen will, die grundsätzlich von ähnlichen Prämissen ausgehen, dann findet in puncto Balance zwischen Solo und Orchester das Duo Hornung / Manacorda homogenere und überzeugendere Lösungen (wobei in jener Einspielung dann wiederum das Finale des ersten Konzerts in ein Presto verwandelt wird).
Kantables, expressives Spiel
Die CD wird – etwas überraschend – mit Hindemiths Trauermusik beschlossen, eigentlich ein Werk für Viola und Streicher, dessen Solopart aber alternativ auch von einer Violine oder einem Cello übernommen werden kann. Poltéra gestaltet seinen Solopart wiederum sehr ansprechend, kantabel und expressiv, ohne in Extreme zu verfallen. Das Münchener Kammerorchester legt besonderen Werk auf Transparenz und Durchhörbarkeit, aber spätestens im abschließenden Choral sollte m.E. doch die Oberstimme stärker hervorgehoben werden: im Grunde genommen ist die Choralmelodie ja die Klammer dieses Finales, nur eben immer wieder von den Ausschmückungen des Solisten unterbrochen, und um diesen rund zweiminütigen Bogen nachzuvollziehen, müsste die Melodie stärker in den Vordergrund gestellt werden, die Musik führen.
Die Klangqualität bewegt sich auf hohem BIS-Niveau, der Begleittext informiert grundsätzlich sehr solide über die Werke und ihre Hintergründe. Den auf dem Cello völlig üblichen und technisch gänzlich unproblematischen C-Dur-Akkord, den Haydn speziell im ersten Satz seines C-Dur-Konzerts gerne verwendet, als „bärbeißigen Quadrupelgriff“ zu bezeichnen, ist allerdings ein leichtes Schmunzeln wert.
Holger Sambale [16.09.2022]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Violoncellokonzert Nr. 1 C-Dur Hob. VIIb:1 | 00:22:48 |
4 | Violoncellokonzert Nr. 2 D-Dur Hob. VIIb:2 | 00:23:28 |
7 | Sinfonie Nr. 13 D-Dur Hob. I:13, 2. Satz Adagio cantabile | 00:06:38 |
Paul Hindemith | ||
8 | Trauermusik | 00:07:18 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Poltéra (Violoncello, Leitung)
- Münchener Kammerorchester (Orchester)