Domenico Scarlatti
...ma cantabile
MDG 921 2252-6
1 CD/SACD stereo/surround • 73min • 2021
10.10.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Domenico Scarlatti teilt zwar mit J. S. Bach und G. F. Händel als Geburtsjahr das für die Musikgeschichte so bedeutsame Jahr 1685, und er ist in der Mitte zwischen beiden gestorben – Bach (1750), Händel (1759), Scarlatti (1757); dennoch war sein Nachruhm in der Folge lange nicht auf gleicher Höhe mit dem seiner beiden Kollegen. Ab der zweiten Hälfte 20. Jahrhundert wendete sich das Blatt: Er wurde als bedeutender Komponist anerkannt – besonders für die Geschichte der Claviermusik. Als Musik- und Clavierlehrer der pianistisch hochbegabten portugiesischen Prinzessin und nachmaligen spanischen Königin Maria Barbara de Bragança hat er seine in fünf Sammlungen hinterlassenen Sonaten, offensichtlich zunächst als Übungsmaterial für ihren pianistischen Gebrauch geschrieben, daher mag auch die anfängliche Bezeichnung Übungen, „Essercizii“, stammen. Die spätere Bezeichnung „Sonate“ knüpft nicht in erster Linie an die Tradition der Triosonate an, sondern ist eher als „Klangstück“ zu verstehen, so ja auch die wörtliche Übersetzung des Titels. Dank sorgfältiger Überlieferung ist Scarlattis Sonatenschaffen der Nachwelt erhalten geblieben. Charakteristisch für seinen lebendigen Klavierstil sind die vielfältigen Einflüsse, die er aufnimmt und die auch aus der von arabischer und jüdischer Musik beeinflussten portugiesischen und spanischen Volksmusik stammen; so ergab sich ein weites Spektrum der Affekte von tiefer Innigkeit bis zum temperamentvollen Ausbruch.
Temperament, Fantasie und Modernität
Seine fürstliche Schülerin und spätere spanische Königin Maria Barbara de Bragança muss wirklich eine überaus begabte Claviersolistin gewesen sein, und sie hat offensichtlich ihre Hofhaltung mit Instrumenten ausgestattet, die der modernsten Entwicklung der Clavierinstrumente entsprachen: Diese avantgardistische Sammlung von Instrumenten dürfte auch frühe Fortepiani aus Italien enthalten haben und war damit sicherlich ein weiterer Ansporn für Sacrlatti, seine vorwärts weisende Musiksprache zu entwickeln. Besonders bewundernswert ist dabei sein individueller Stil, mit dem er seine Musik entwickelt, die für seine Zeit durchaus als „Zukunftsmusik“ gelten darf.
Vielsagender Generationenvergleich
Zufällig enthält Tatjana Vorobjovas Auswahl auch die Sonate (A-Dur K. 24), die George Malcolm (1917-1997) 1958 bei Decca auf einem modernen, klanglich überaus diffenzierten Instrument des Engländers Thomas Goff von 1958 aufgenommen hat, das durchaus das Recht für sich beanspruchen kann, einen wichtigen Schritt in der Epoche der Emanzipation des Cembalos im 20. Jahrhundert zu beanspruchen. Malcolms Aufnahme gehört zu den Schlüsselerlebnissen, die meine Liebe zur Cembalomusik und schließlich zur Alten Musik in historisch informierter Musizierpraxis begründeten. Ein Vergleich zwischen beiden Einspielungen dieser Sonate ist einerseits interessant, andrerseits muss er aufgrund des langen Zwischenraums zwischen beiden Aufnahmen von mehr als 60 Jahren sorgfältig abgewogen werden. Denn bei aller Liebe, die mich mit Malcolms Einspielung vom Ende der 1950er Jahre verbindet, muss dieser mit ihrem Alter von über 60 Jahre mittlerweile ein historischer Status eingeräumt werden, der mit einer heutigen Interpretation nicht direkt vergleichbar ist.
Erstklasssig
Der Titel „cantabile“ von Tatjana Vorobjovas gegenwärtiger Einspielung zeigt die Absicht der Interpretin, aus dem schier unermesslichen Kosmos von Scarlattis Sonatenschaffen eine Auswahl unter einem vereinenden Aspekt zu treffen; dabei verfügt sie mit einem Ruckers-Nachbau aus dem Jahr 2004 von Titus Crijnen über ein Instrument, das auf der absoluten Höhe des gegenwärtigen Cembalobaus steht, und auf dem somit Scarlattis schillernder Kosmos exzellent darzustellen ist. So zeigen die auf dieser Einspielung vereinten Stücke einerseits eine Konzentration auf kantable Elemente, andrerseits aber auch eine beeindruckende Vielfalt in Bezug auf die individuellen Aspekte jedes einzelnen Werks. Die solistische Leistung, die hervorragende Einfühlung in das vielfältige Repertoire, das herrliche Instrument und die vorzügliche Aufnahmetechnik weisen dieser Einspielung einen besonderen Platz in der zeitgenössischen Diskographie der Sonaten Domenico Scarlattis zu.
Detmar Huchting [10.10.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Domenico Scarlatti | ||
1 | Sonate d-Moll K 77 | 00:04:49 |
2 | Sonate d-Moll K 9 | 00:03:49 |
3 | Sonate D-Dur K 490 | 00:04:21 |
4 | Sonate h-Moll K 87 | 00:04:41 |
5 | Sonate f-Moll K 462 | 00:03:38 |
6 | Sonate Es-Dur K 193 | 00:04:43 |
7 | Sonate C-Dur K 308 | 00:05:19 |
8 | Sonate f-Moll K 69 | 00:03:44 |
9 | Sonate C-Dur K 132 | 00:04:19 |
10 | Sonate a-Moll K 451 | 00:02:57 |
11 | Sonate A-Dur K 208 | 00:04:02 |
12 | Sonate A-Dur K 24 | 00:05:49 |
13 | Sonate G-Dur K 144 | 00:03:46 |
14 | Sonate g-Moll K 8 | 00:03:02 |
15 | Sonate G-Dur K 260 | 00:03:23 |
16 | Sonate B-Dur K 544 | 00:03:57 |
17 | Sonate d-Moll K 18 | 00:04:17 |
18 | Sonate d-Moll K 32 | 00:02:24 |
Interpreten der Einspielung
- Tatjana Vorobjova (Cembalo)