Georg Friedrich Kauffmann
Complete Sacred Works
cpo 555 365-2
2 CD • 1h 47min • 2022
28.08.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Georg Friedrich Kauffmann hat das Glück, aber auch das Pech, 1722 als Mitbewerber Bachs um das Amt des Thomaskantors bekannt geworden zu sein: Glück, weil er dadurch wenigstens in der Musikgeschichte einen Namen hat, Pech, weil Bach eben alles, was gleichzeitig komponiert wurde, überstrahlt. Kauffmann wurde 1679 im thüringischen Ostramondra geboren, ist in Erfurt und Merseburg unterrichtet worden, hat in Merseburg ab 1698 seinen erkrankten Orgel-Lehrer Johann Friedrich Alberti als Hof- und Dom-Organisten vertreten und 1710, nach Albertis Tod, diesen Posten eingenommen, stieg später zum „Fürstlich Sächsisch Merseburgischen Capell-Director“ auf und vertrat daneben einige Zeit auch den Hofkapellmeister – bis er 1735 in Merseburg starb. Von seinem – wahrscheinlich wesentlich umfangreicheren – Werk ist vor allem die Harmonische Seelenlust erhalten, eine imposante Sammlung von Orgelvorspielen, die bis heute bei Organisten in Ansehen stehen. Aus seinem geistlichen Werk sind erhalten: ein Himmelfahrts-Oratorium und fünf Kantaten – die hier alle auf einer Doppel-CD eingespielt sind.
„Höchst versiert und wirkungsvoll“
Kauffmann sei ein Komponist, der „stilistisch und technisch auf dem Stand seiner Zeit war und höchst versiert und wirkungsvoll Singstimmen und Instrumentarium einzusetzen wusste“, konstatiert die Musikwissenschaftlerin Ann-Katrin Zimmermann in dem sehr informativen und vergnüglich formulierten Booklet. Ein Beispiel: Die Sopran-Arie in der Kantate Unverzagt, beklemmtes Herz (CD 2, Track 17) beschreibt sie so: „Mit bezirzenden Violinterzen nicht geizend luchst Kauffmann der intimen Besetzung feine Echo-Affekte und subtile Moll-Schattierungen ab.“ Und wahrlich geizt Kauffmann nicht mit instrumentalen Feinheiten in der immer farbenfrohen und abwechslungsreichen Instrumentierung, ob mit Solo-Geige, Oboen- oder Blockflöten-Paaren (die entweder springlebendig-freudig oder zitternd klingen, der Text gibt beides her in CD 1, Track 18) – oder gar nur mit Orgel plus Basso continuo im hübschen Engelsduett im Himmelfahrts-Oratorium (CD 1, Track 14), so dass die besungenen „Glaubenskerzen“, die nie erlöschen sollen, in Gestalt der Engelsstimmen umso schöner herausleuchten können. Immer wieder gestaltet er den Generalbass außergewöhnlich fantasievoll. Ganz reizend ist die kurze Kantate zum Fest Mariae Heimsuchung (CD 2, Track 18-22), die eine Instant-Version des deutschen Magnificat beinhaltet, allerdings mit einer ausgefuchsten Tenor-Arie, die es in sich hat, aber Tobias Hunger bewältigt sie gut.
Ein Merseburger auf den Spuren des Merseburger Meisters
Dass gerade Michael Schönheit diese Musik realisiert, hat seinen eigenen Reiz: Er ist in Saalfeld geboren, also in Thüringen wie Kauffmann, war dort, nach dem Studium in Leipzig, Organist und Kantor, dann Gewandhausorganist und ist seit 1996 Domorganist in Merseburg, also gewissermaßen ein Nachfolger von Georg Friedrich Kauffmann. So ist er schon qua Landsmannschaft und chronologischer Nachfolge prädestiniert für diese selbstgewählte Aufgabe. Mit der von ihm gegründeten Merseburger Hofmusik widmet er sich der Musik seines Vorgängers mit Leidenschaft und Liebe, verleiht ihr nimmermüden freudigen Schwung, Lebens- und Glaubensfreude und fürstlich-festlichen Glanz in den trompetengewappneten Chören. Die Instrumentalisten agieren äußerst gewandt und hochaufmerksam. Das Collegium Vocale Leipzig kommt nur kurz zum Einsatz und singt da wacker.
Vokaler Wohlklang
Der Bassist Tobias Berndt überzeugt durch seine Stimmgestaltung, klar in der Diktion, intelligent in der Textgestaltung, er „deliriert in Jubelkoloraturen“ (so Ann-Katrin Zimmermann) und ist majestätisch als Stimme Gottes. Eine ausgesprochen fröhliche und pfingstfreudige Stimme hat die Sopranistin Isabel Schicketanz, die sie wendig zu führen weiß.
Aufgenommen wurden diese Kantaten in der Stadtkirche zu Merseburg, deren Nachhall gut eingebunden ist in den trennscharfen Raumklang, der klar Chor, Orchester, darin wieder die einzeln Stimmgruppen, und Solisten teilt – alles mit einem kleinen Hang zum dunklen bassbetonten Klang.
Diese Kantaten sind kein Bach-Ersatz, wohl aber eine wohlklingende Abwechslung von Bach – und zur Verwendung sowohl in Gottesdiensten als auch in Konzerten zu empfehlen. Es muss nicht immer und überall Bach sein.
Rainer W. Janka [28.08.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Kauffmann | ||
1 | Rüstet euch, ihr Himmelschöre (Oratorium auf Christi Himmelfahrt) | 00:39:07 |
16 | O, elender Mensch, wer wird mich erlösen (Dialogkantate) | 00:11:58 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Die Liebe Gottes ist ausgegossen (Kantate zum ersten Pfingsttag) | 00:17:52 |
8 | Komm, du freudenvoller Geist (Kantate zum ersten Pfingsttag) | 00:13:46 |
13 | Unverzagt, beklemmtes Herz (Cantata/Kantate) | 00:11:13 |
18 | Nicht uns, Herr, sondern deinem Namen gib Ehre (Kantate zum Fest Mariae Heimsuchung) | 00:12:21 |
Interpreten der Einspielung
- Isabel Schicketanz (Sopran)
- Elisabeth Mücksch (Sopran)
- Britta Schwarz (Alt)
- Tobias Hunger (Tenor)
- Christoph Pfaller (Tenor)
- Tobias Berndt (Bass)
- Collegium Vocale Leipzig (Chor)
- Merseburger Hofmusik (Instrumentalensemble)
- Michael Schönheit (Leitung)