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Besprechung CD

Eternity

piano//duo ensarischuch

naïve V 8319

1 CD • 79min • 2022, 2023

27.04.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Mit der neuesten CD legt das Pianisten-Ehepaar Gülru Ensari und Herbert Schuch bereits sein viertes Album vor, „eternity“ genannt (und entsprechend illustriert mit einer Fotografie auf dem Albumcover, auf der die beiden Partner offenbar ein Unendlichkeitssymbol nachstellen). Enthalten sind Werke für Klavier zu vier Händen bzw. zwei Klaviere von Franz Schubert, Olivier Messiaen, Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven, die allesamt eine wie auch immer geartete „transzendentale“ Komponente besitzen.

Transparenz, Klarheit und Homogenität

Ganz explizit ist dieser Bezug (bereits im Titel) in Messiaens 1943 entstandenen Visions de l’amen, dem einzigen Werk für zwei Klaviere auf dieser CD, einem siebenteiligen Zyklus, der viel mit Messiaens nur ein Jahr später entstandenen monumentalen Vingt regards gemeinsam hat. Das piano//duo ensarischuch, so die Eigenbezeichnung (auf diesem Album), spielt daraus den 1., 4. und 5. Satz, verteilt auf zwei „Blöcke“, die die übrigen Werke voneinander abgrenzen. Hervorzuheben ist die Transparenz und Klarheit ihrer Interpretationen, und gerade in den diversen (Vogel-) Stimmen von Nr. 5 auch die Homogenität, die vorzügliche Abstimmung und Interaktion der beiden Künstler. Überhaupt handelt es in dieser Hinsicht auf dem gesamten Album um sehr hochklassige, souverän abgestimmte Darbietungen. Dies zeigt auch Schuberts späte Fantasie f-moll D 940, mit der das Album beginnt und die eine sorgfältig austarierte Interpretation mit eigener Note erfährt. Insbesondere nimmt sich das Duo einige Freiheiten hinsichtlich der Tempogestaltung: so spielt sich der erste (und letzte) Teil, das Allegro molto moderato also, faktisch in zwei verschiedenen Tempi ab (zunächst betont langsam, die Thematik ab T. 48 dann deutlich angezogen). Im dritten Abschnitt halten Ensari und Schuch das Tempo generell flexibel und in der Summe (auch angesichts der Länge dieses Abschnitts, immerhin ein komplettes Scherzo) vielleicht doch etwas zu schwankend. Jedenfalls gibt es Einspielungen (wie etwa Perahia / Lupu oder Eschenbach / Frantz), die ähnliche Differenzierungen stärker über den Klang selbst erreichen und so den Beginn in ein bestürzend fahles Dämmerlicht tauchen, die gelegentlichen F-Dur-Einschübe (oder das plötzliche Fis-Dur im Largo) geradezu entrückt wirken lassen, wo Ensari und Schuch im Vergleich eine Spur direkter, auch kühler anmuten.

Brahms’ Gedenken an Schumann, Beethovens monumentale Expansivität

Brahms’ Variationen über ein Thema von Schumann Es-Dur op. 23 sind sein erstes Werk für Klavier zu vier Händen, entstanden 1861. Der Bezug zur „Ewigkeit“ ist hier das Variationsthema, bei dem es sich um dasjenige handelt, das Schumann im Traum von den „Geistern Schuberts und Mendelssohns“ vorgesungen worden war (tatsächlich kommt es allerdings bereits im langsamen Satz seines Violinkonzerts vor) und über das er selbst als sein letztes Werk vor seiner Einweisung nach Endenich noch Klaviervariationen geschrieben hatte; der Trauermarschcharakter der Schlussvariation lässt das Stück zudem deutlich als Gedenkwerk für Schumann erscheinen. Wiederum legen Ensari und Schuch eine sehr gute, durchaus robust zupackende, auch in den Anfangsvariationen bereits recht präsente Lesart der Variationen hin; kontrastreich und kraftvoll gestaltet u.a. die sechste Variation. Den Abschluss der Programms bildet Beethovens Opus 134, also seine eigene Transkription seiner Großen Fuge für Klavier zu vier Händen, die in ihrer Expansivität, ihrem machtvollen Überschreiten von Grenzen noch einmal einen neuen Aspekt in das Programm einbringt. Über weite Strecken gefällt hier die Übersicht über die komplexen kontrapunktischen Strukturen, ähnlich wie in Messiaens Stücken klar und sorgsam aufeinander abgestimmt herausgearbeitet. Mit ziemlich genau 15 Minuten sind Ensari und Schuch relativ rasch (und überhaupt eher schlank, fast athletisch) unterwegs, und hier und da würde die Interpretation durch etwas mehr Zeit noch gewinnen, nicht nur an Momenten des Innehaltens, sondern etwa auch, wenn das Fugenthema kurz vor Schluss augmentiert im machtvollen Unisono erklingt (und Ensari und Schuch das Tempo kurzfristig deutlich erhöhen).

Aufforderung zum Erleben der Musik

Das Begleitheft bietet (neben der Vorstellung des Duos selbst) nur einen kurzen, sich dem Thema von eher allgemeiner, philosophischer Warte nähernden Text von Herbert Schuch, verbunden mit der Aufforderung, die Musik selbst zu erleben; stattdessen wird die neunte von Rilkes Duineser Elegien als Einstimmung angeboten – wobei: natürlich müssen sich das unmittelbare Erleben von Musik und das Ergründen von Hintergründen und Details aller Arten nicht wechselweise ausschließen. Der Klang der CD entspricht sehr guten modernen Standards.

Holger Sambale [27.04.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Schubert
1Fantasie f-Moll op. 103 D 940 für Klavier zu vier Händen 00:19:15
Olivier Messiaen
2Amen du Désir aus Visions de l'Amen 00:12:09
Johannes Brahms
3Variationen über ein Thema von R. Schumann Es-Dur op. 23 00:17:17
Olivier Messiaen
14Amen des anges, des saints, du chant des oiseaux aus Visions de l'Amen 00:08:29
15Amen de la Création aus Visions de l'Amen 00:06:09
Ludwig van Beethoven
16Große Fuge B-Dur op. 134 (Bearbeitung der Großen Fuge B-Dur op. 133 für Klavier zu vier Händen) 00:15:09

Interpreten der Einspielung

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