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Besprechung CD

»Morgenwind«

Joolaee Trio

GWK Records 164

1 CD • 57min • 2024

29.10.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Wenn die Kamancheh, das Streichinstrument, das wie eine Geige mit kreisrundem Korpus aussieht, aber wie ein Cello über einen Stachel verfügt und in Persien und Aserbaidschan beheimatet ist, ihre ernst-melancholische Stimme erhebt, dann hört die schnöde Welt da draußen für eine Weile zu existieren auf. Zumindest beim Spiel von Misagh Joolaee, einem der wohl berufensten Könner auf diesem Instrument, der im Trio gerade seine Debüt-Aufnahme „Morgenwind“ auf dem GWK-Label vorgelegt hat.

Tradition und Moderne

Das ist instrumentaler Gesang, der sich in hellere Sphären erhebt – auf gleichberechtigter Höhe mit seinen beiden Partnern in diesem Trio. Das öffnen auf kleinem Raum großen Erzählungen alle Tore der Empfindsamkeit! Pianistin Schaghajegh Nosrati treibt die Fluten dieses Klangozeans höher und hält die Wellen lebendig, während Percussionspieler Sebastian Flaig auf seiner Rahmentrommel mit dumpfen Schlägen und scharfen Akzentuierungen den Herzschlag vorgibt.

Genug erstmal der Metaphorik, die sich schon beim ersten Hören so assoziativ aufdrängt. Das Joolaee-Trio verbindet Tradition und Moderne und agiert bei ergreifender Ausdrucksdichte stilistisch ausgesprochen divers und variabel. So wie es eben im Idealfall auch im Jazz stattfindet.

Klangschönheit, die unter die Haut geht

Auf hörbar höherer Ebene kommen bei den drei Musikern unterschiedliche musikalische Hintergründe zusammen: Misagh Joolaee zählt zu den gefragtesten Virtuosen auf der Kamancheh, dem traditionellen, geigenähnlichen Streichinstrument aus dem alten Persien. Pianistin Schaghajegh Nosrati machte sich unter anderem als Bach-Interpretin einen Namen. Und Perkussionist Sebastian Flaig ist stilistisch zwischen Alter Musik, orientalischer Musik und Jazz zu Hause – allein dieser Horizont bewahrt schon hinreichend davor, in irgendeine Folklorefalle zu tappen.

Bei elf von zwölf Stücken handelt es sich um Eigenkreationen des Joolaee-Trios. Eines davon mit dem Titel Be Hich Diyar (= keiner Heimat zugehörig) erinnert an die Proteste im Iran nach der Ermordung von Mahsa Amini durch das islamische Regime. Ein anderes Stück ist eine Hommage an das Marmarameer, jenes Binnenmeer zwischen Europa und Asien, das eine natürliche Verbindung und nichts trennendes sein soll.

Faszinierender Erfindungsreichtum

Rituelle, fast meditative Parts leiten in hitzige, polymetrische Ausbrüche über, phasenweise verdichtet von Unisono-Techniken, die wiederum an aserbaidschanische Mugham-Traditionen erinnern, die schon vor Jahrzehnten etwa von Aziza Mustafa Zadeh in der westlichen Welt bekannt gemacht wurden. Faszinierend ist immer aufs Neue die Erfindungskraft aller drei Bandmitglieder, tonale und modale Möglichkeiten zu erkunden und zu kombinieren, wobei auch schließlich wieder Elemente von Bach selbstverständlich Einzug finden. Musik, wenn man sie im besten Sinne frei-lässt, wie hier beim Joolaee-Trio, kennt nur Verwandtschaften und Schnittstellen und eben keine politischen oder ideologischen Barrieren. Jetzt bleibt nur noch der Wunsch, dieses Ausnahme-Trio auch live zu erleben.

Stefan Pieper [29.10.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Misagh Joolaee
1Sharveh 00:02:42
2Be Hich Diyar 00:06:19
trad.
3Erzincan düz halayi (arr. Joolaee Trio) 00:04:31
Schaghajegh Nosrati
4Fantasie und Fuge 00:07:38
Misagh Joolaee
6Mehrabani 00:03:32
7Marmarameer 00:05:22
Sebastian Flaig
8Verdichtung 00:03:50
9Fragile Balance 00:06:02
Arno Harutyuni Babadzhanian
10Élégie 00:03:22
Misagh Joolaee
11Sharar 00:03:25
12Shohud 00:10:24

Interpreten der Einspielung

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