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Besprechung CD

EsbjergEnsemble

& Kristoffer Hyldig Piano Playing Axel Borup Jørgensen

OUR Recordings 8.226925

1 CD • 66min • 2024

22.11.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Wenn es einen Komponisten gibt, für den sich das dänische Label OUR Recordings in den vergangenen Jahren in ganz besonderem Maße eingesetzt hat, dann ist dies Axel Borup-Jørgensen (1924–2012), und gerade pünktlich zu seinem 100. Geburtstag im November 2024 erscheint nun eine neue CD mit sieben kammermusikalischen Werken. Es spielt das Esbjerg Ensemble mit verschiedenen Gästen wie dem Pianisten Kristoffer Hyldig oder dem Geiger Joel Bardolet.

Ein stiller Einzelgänger der dänischen Nachkriegsmoderne

Borup-Jørgensen ist eine Art stiller Einzelgänger in der dänischen Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Komponist im Wesentlichen Autodidakt. Seine Tonsprache hat in ihrer Konzentration, ihrem Fokus auf der mit äußerster Präzision ausgearbeiteten expressiven Geste und ihrem Detailreichtum ihre Ursprünge in mancher Hinsicht bei Webern, ohne seriell zu sein; ein weiterer (naheliegender) Einfluss ist Ligetis Mikropolyphonie. Dabei ist Borup-Jørgensen aber gleichzeitig stets Lyriker, zu beobachten bereits in der wesentlichen Rolle von schwedischer und deutscher Dichtkunst (etwa Rilke) als Inspirationsquelle, und in seiner Musik selbst in der fundamentalen Rolle von fein ausgehörter Klanglichkeit, von Momenten filigraner Poesie. Gilt das orchestrale, hoch differenzierte Marin zwar als Hauptwerk Borup-Jørgensens, so hat sich der Komponist in späteren Jahren jedoch nahezu ausschließlich der Kammermusik gewidmet.

Subtil-zerbrechliches Klarinettentrio

Sublimiert erscheinen all diese Charakteristika im Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier op. 134 (1988–90), für mich wohl dem Höhepunkt des Albums. Bei diesem zwölfminütigen Einsätzer handelt es sich eigentlich eher um ein Stimmungsbild, gehalten in elegischen, zart-pastellenen Farben. Typisch für den reifen Borup-Jørgensen ist die sehr konsequente Bevorzugung hoher, ätherisch konnotierter Tonlagen, im Cello etwa in Form von Flageoletts (bzw. Flageolett-Doppelgriffen). Die klare Atonalität des Werks wird durch die fundamentale Rolle des beinahe romantischen Klavierakkords, mit dem das Stück beginnt, etwas abgefangen; im Fortgang wird die Harmonik immer wieder entscheidend vom Tritonus (bzw. nicht selten Tritonusparallelen) geprägt, dabei aber immer eine ganz spezielle, zerbrechlich anmutende Aura verströmend. Unruhe oder dramatische Zuspitzungen spielen nur sehr am Rande eine Rolle, über weite Strecken ist diese Musik statisch, getragen von ihrer eigentümlichen, sehr dichten Atmosphärik, die von den drei Interpreten dieser Einspielung mustergültig, mit größter Sensibilität und die nicht unbeträchtlichen technischen Anforderungen souverän realisierend in Szene gesetzt wird.

Pointillistisches aus der mittleren Schaffensphase

Sinnigerweise markiert die Intrada für Solo-Schlagzeug op. 149 (1993/94) den Beginn des Albums; bemerkenswert dabei, wie Borup-Jørgensen gerade im ausgedehnten Mittelteil dieses Stücks sein vielfältiges, durch allerhand Alltagsgegenstände angereichertes Instrumentarium in ganz ähnlich differenziertem, am Rande der Stille verharrendem, hohe Frequenzen in den Fokus rückendem Sinne einsetzt. Die Mitte des Albums bilden mit Riconstruzioni für Bläserquintett op. 71 (1973/74), Malinconia für Streichquartett op. 68 (1972–74) und Distichon für Violine und Klavier op. 67 (1974) drei Werke aus Borup-Jørgensens mittlerer Schaffensperiode. Auch hier findet man natürlich sein ausgeprägte Interesse am Klanglichen, die Poesie äußert sich aber eher momentan, in Form von Augenblicken. Grundsätzlich sind diese Werke durch ihre pointillistische Art schwerer fasslich, manchmal etwas konstruktivistisch anmutend; neben dem Tritonus spielen hier auch Sekunden, Septimen und Nonen zentrale Rollen in der Harmonik, speziell in der Malinconia beobachtet man wiederum die hervorgehobene Rolle hoher Tonlagen. Klanglich ungewöhnlich scharf, fast aggressiv mutet das Distichon an, im Klavierpart mit Clustern gespickt.

Eine exzellente, sehr sorgfältige Produktion

Mit der Rhapsodie für Viola solo op. 114:3 (1994–96) führt das Programm zurück in Borup-Jørgensens spätere Schaffensperiode. Gehen die Eckteile von der C-Saite, Pizzicato-Gesten und Tremolopassagen aus, so zitiert Borup-Jørgensen im Mittelteil eine eigene Rilke-Vertonung aus den 1950ern; insgesamt wiederum ein Werk mit stärkerem Fokus auf der Linie als in den Stücken der 1970er Jahre. Mit den abschließenden mikoorganismen für Streichquartett op. 20b (1956) zeigt sich Borup-Jørgensens frühe Tonsprache expressiv, durchaus auch harsch und vor allem radikal verknappt, sodass sich die lediglich sechs Minuten in nicht weniger als 13 Einzelstücke aufteilen. Klangtechnisch, interpretatorisch und in der Sorgfalt der Gestaltung nicht zuletzt des Beihefts ist dies einmal mehr eine exzellente Produktion auf dem hohen Niveau, das dieses kleine dänische Label auszeichnet.

Holger Sambale [22.11.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Axel Borup-Jørgensen
1Intrada op. 149 für Schlagzeug 00:10:34
2Trio op. 134 für Klarinette, Violoncello und Klavier 00:11:59
3Ricostruzioni op. 71 für Holzbläser 00:05:43
4Malinconia op. 68 für Streichquartett 00:09:16
5Distichon op. 67 00:13:13
6Rapsodi op. 114 Nr. 3 für Viola 00:09:01
7"mikroorganismer" op. 20b für Streichquartett (Kurze Skizzen) 00:06:02

Interpreten der Einspielung

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