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Besprechung CD

Franz Schreker

Complete Orchestral Works Vol. 2

cpo 777 703-2

1 CD • 57min • 2014, 2013

16.12.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Es hat vier Jahre gebraucht, bis das cpo Label aus Osnabrück die zweite Folge der wichtigsten Orchesterwerke Franz Schrekers (1878–1934) mit den Bochumer Symphonikern unter dem amerikanisch-israelischen Dirigenten Steven Sloane herausgebracht hat. Die Aufnahmen selbst sind gar gut zehn Jahre alt. Das Repertoire diesmal enthält die vielleicht interessantesten Werke des österreichischen Opernkomponisten für den Konzertsaal überhaupt.

Hochemotionales „Vorspiel zu einem Drama“

Bei diesem 1914 uraufgeführten Zwanzigminüter handelt es sich nicht etwa um eine echte Opernouvertüre, sondern um die Kompilation von Musik aus allen drei Akten der seinerzeit noch unvollendeten Oper Die Gezeichneten. Schreker bettet das divergente Material gekonnt in einen symphonischen Fluss ein, der einerseits wirklich dramatisch verläuft, andererseits durch üppigste Instrumentation und exquisite Klangfarben überzeugt. Von allen Einspielungen, die der Rezensent bislang hören durfte, begeistert Sloane hier in jeder Hinsicht am meisten. Die Feinheiten der Partitur werden mit wohlüberlegter Balance auf das Orchester übertragen, bleiben selbst an den Höhepunkten durchhörbar und wirken vor allem emotional schlicht umwerfend. Auch die tadellose Aufnahmetechnik trägt zum hervorragenden Eindruck bei. Sloane entwickelt Schrekers eigentümliche Klangwelt – wenn es überhaupt so etwas wie musikalischen Jugendstil gegeben hat, dann hier – mit Bedacht. Die Steigerungen und Ausbrüche gelingen umso mehr absolut zwingend.

Schrekers Kammersymphonie: ein wahres Meisterwerk

Natürlich merkt man der Kammersymphonie für 23 Soloinstrumente (1917) an, dass sich Schreker durchaus am Vorbild von Arnold Schönbergs 1. Kammersinfonie op. 9 orientiert, doch seine wiederum ganz individuelle Klangsprache ist unverkennbar. Typisch sind das ungemein einnehmende, irisierende Flimmern von Ostinati – wie gleich zu Beginn mit Unterstützung von Harfe, Celesta, Harmonium und Klavier – oder delikateste Harmonik, etwa die charakteristische Reibung von cis-Moll plus f (Track [06]: 02‘13“): immer auch Orientierungspunkte für den Hörer. Ähnliches kennt man ja schon aus der Oper Der ferne Klang. Im Gegensatz zu Schönbergs stilbildendem Gattungsbeitrag überfordert Schrekers Kammersymphonie nicht mit derart dichter Komplexität, bleibt immer feinsinnig, dafür meist recht melancholisch. Sloane befolgt zudem die Empfehlung des Komponisten, für große Säle die in der Partitur notierten 11 Streicher über Strecken zu verstärken: bis zur vollen Besetzung. Das führt zu konsistenter Balance, erwirkt dabei allerdings teils den Eindruck zweier konkurrierender Klangkörper und betritt so eher das Feld „großer“ Symphonik. Wie im Vorspiel erreicht hier das Bochumer Orchester subtilste Farbigkeit mit mitreißender Ausdrucksintensität – eine perfekte Darbietung eines immer noch nicht oft gespielten Meisterwerks. Analytisch-sachliche Interpretationen wie die Michael Gielens bleiben dennoch erwägenswerte Alternativen.

Imaginäre Filmmusiken

Die Vier kleinen Stücke für großes Orchester sind als quasi imaginäre Filmmusiken – Vorlage waren Vier Skizzen für den Film für Klavier – um 1930 nichts Ungewöhnliches: Schönbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielszene war nur einen Monat vor Schrekers Fertigstellung seiner Partitur uraufgeführt worden. Auf engem Raum werden nachvollziehbar vier unterschiedliche Befindlichkeiten geschildert. Von diesem Werk gibt es erst wenige Aufnahmen. Die zuletzt veröffentlichte mit Christopher Ward war erschreckend uninspiriert: mit völlig verunglückten Tempi, oberflächlicher Diktion und kaum Sinn für die offenkundig glaubhafte musikalische Substanz der Stücke. Sloane ist im Vergleich völlig überlegen und erweist sich hier ebenfalls als kongenialer Schreker-Interpret. Eckhardt van den Hoogens Begleittext ist einmal mehr höchst informativ, jedoch mit 12 eng bedruckten Seiten schon fast zu ausufernd. Wer solch überbordende, zugleich differenzierte Musik mag oder sich erstmals auf sie einlassen möchte, kommt an dieser erfreulichen CD nicht vorbei.

Vergleichsaufnahmen: [Vorspiel, Kammersymphonie] Radio-Sinfonieorchester Berlin, Michael Gielen (Schwann CD 11618, 1981); [Vier kurze Stücke] Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Christopher Ward (Capriccio C5348, 2018).

Martin Blaumeiser [16.12.2024]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Schreker
1Vorspiel zu einem Drama 00:21:04
2Vier kleine Stücke für Orchester 00:10:18
6Kammersymphonie für 23 Solo-Instrumente 00:25:57

Interpreten der Einspielung

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