Antonio Vivaldi
La fida ninfa

cpo 555 646-2
2 CD • 2h 08min • 2023
13.03.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Antonio Vivaldi komponierte La fida ninfa 1732 für die Eröffnung des Theaters der Accademia Filarmonica von Verona, für dessen Neubau sich der adlige Universalgelehrte Francesco Scipione Maffei (1675-1755), der auch das Libretto verfasste, vehement und unter erheblichem Zuschuss von eigenen Mitteln eingesetzt hatte. Gut, dass Chiara Cattani mit dem Barockorchester Jung jetzt auf cpo einen Live-Mitschnitt vorlegt, der binnen einer einzigen Aufführung während der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2023 entstand, denn die einzige höheren Ansprüchen genügende Einspielung von 2008 unter Jean Christophe Pinosi ist mittlerweile gestrichen.
Arkadische Rettungsoper
Die Handlung der „Getreuen Nymphe“ ist recht verworren, bietet aber reiche Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit der Bühnentechnik zu demonstrieren. Einerseits handelt es sich um eine arkadische Schäfergeschichte, andererseits eine Rettungsoper wie Mozarts Entführung mit Verwechselungselementen, die denen in Figaros Hochzeit keinesfalls nachstehen. Deshalb wird der Handlungsknoten auch erst ganz am Schluss durch das direkte Eingreifen der Olympier Juno und Äolus aufgeknüpft. Eine Kurzübersicht möge als Ariadnefaden dienen:
Naxos wird jedoch diesmal nicht von Ariadne, sondern von Oralto (Bass) und seinen Piraten beherrscht. Die raubten den bereits von Thrakern von der Insel Skyros verschleppten Osmino, der von den Thrakern den Namen Morasto (Counter) erhalten hatte. Dieser hat einen Bruder, den die um ihren Erstgeborenen trauernden Eltern erneut Osmino (Counter) nannten. Piratenkapitän Oralto macht Morasto zu seinem Stellvertreter. Danach wird der zweite Osmino von den Piraten ebenfalls gekidnappt und als Sklave nach Naxos verschleppt. Die Oper beginnt damit, dass die Piraten gerade zwei Nymphen, Licori (Sopran)und Elpina (Mezzo) sowie deren Vater Narete (Tenor) auf Skyros eingefangen haben. Der Piratenhauptmann verliebt sich in Licori, die ursprünglich mit Osmino Nummer eins (jetzt Morasto) verlobt war. Sie meint, diesen in seinem kleinen Bruder Osmino Nummer zwei wiederzuerkennen. Damit sind dann alle Schlingen für jegliche Verwicklung gelegt. Da Oralto Naxos für einen neuen Beutezug verlässt, gelingt den 5 Skyrern die Flucht, nachdem Juno Äolus davon überzeugt hat, den gerade aufziehenden Zyklon abzublasen.
Übrigens hatte Librettist Maffei enge Verbindungen nach Deutschland, denn er kämpfte zeitweilig an der Seite seines Bruders Alessandro, des Generals des kurfürstlich-wittelsbachischen Truppen, den man wegen seiner Erfolge im großen Türkenkrieg später als „bayerischer Prinz Eugen“ bezeichnete, im Spanischen Erbfolgekrieg.
Ensembledemokratie
Vivaldis Fida Ninfa zeichnet sich durch eine – für die Barockoper höchst untypische – ausgesprochen gleichmäßige Verteilung der Arien auf die sechs Protagonisten aus. Hier werden nicht nur Sopran und Alt sondern auch Tenor und Bass technisch höchst anspruchsvoll mit langen Bögen, Koloraturen und Trillern gefordert. Auch enthält jede Partie sowohl lyrisch-kantable als auch virtuos-brillante Elemente. Anspielen sollte man auf jeden Fall: das kunstvoll im dreifachen Kontrapunkt gearbeitetet Terzett (CD 1 Track 18), Naretes Deh, ti piega (CD 1 Track 24), Osminos Qual serpe tortuosa (CD 2, Tr. 7).
Live ohne Unfälle
Chiara Cattani gelingt mit dem in den Streichern eher klein besetzten Barockorchester Jung, das wohl ad hoc für diese Produktion zusammenkam, eine schwungvolle Produktion ohne jegliche Wackler. Dafür ein dickes Kompliment. Im Vergleich zur alten Studio-Aufnahme unter Pinosi sind bei den Sängern jedoch Abstriche zu machen. Absolut überzeugen können in der Neuaufnahme nur die beiden Countertenöre Vojtech Pelka und Niccolò Balducci, die Philippe Jarousky klar auf die Plätze verweisen sowie Mezzo Eline Welle. Chelsea Zurflüh macht ihre Sache ebenfalls ordentlich hat jedoch in Sandrine Piau formidable Konkurrenz von höherem Stimmgewicht. Narete Kieran White ist hinsichtlich Farbfähigkeit und körperhaftem Legato dem großen lyrischen Instrument von Topi Lehtipuu unterlegen, glänzt aber in brillanten Passagen. Ähnlich Piratenkapitän Yevgen Rahmanin, dem es zwar nicht an Brillanz, dafür jedoch altersbedingt noch an der samtig-ruhigen Souveränität eines Lorenzo Regazzo mangelt.
Das Booklet ist mit ausführlicher Einführung und vollständigem Libretto – allerdings nur in englischer Übersetzung – exzellent gestaltet. Auch aufnahmetechnisch ist nichts zu beanstanden.
Fazit: Eine gelungene Einspielung, die dazu anregt, sich einmal mit dem durchaus originellen Opernkomponisten Vivaldi zu beschäftigen.
Vergleichsaufnahme: Jean Christophe Pinosi, naive (gestrichen, aber über Streaming abrufbar).
Thomas Baack [13.03.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | La Fida Ninfa RV 714 (Dramma per musica in 3 Akten) | 02:08:02 |
Interpreten der Einspielung
- Yevhen Rakhmanin (Oralto, Pirat und Führer der Insel Naxos - Baß)
- Vojtĕch Pelka (Morasto, tatsächlich Osmino, Hirte von Scyros, Oraltos Erzieher - Countertenor)
- Nicolò Balducci (Osmino, tatsächlich Tirsi, Hirte von Scyros - Countertenor)
- Chelsea Zurflüh (Licori, Nymphe von Scyros - Sopran)
- Eline Welle (Elpina, Nymphe von Sycros - Mezzosopran)
- Kieran White (Narete, ein alter Hirte, Vater von Licori und Elpina - Tenor)
- Barockororchester:Jung (Orchester)
- Chiara Cattani (Dirigentin)