History of the Russian Piano Trio • 6
The Silver Age and Art Nouveau Era • Sergey Rachmaninov
The Brahms Trio

Naxos 8.574687
1 CD • 63min • 2021
13.07.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zu den CD-Projekten, die ich in den vergangenen Jahren mit besonderem Interesse verfolgt habe, gehört die „Geschichte des russischen Klaviertrios“, die das Brahms-Trio für Naxos eingespielt hat, mit zunächst fünf CDs, die das russische Klaviertrio zur Zeit des Russischen Reichs nicht im Sinne einer Gesamteinspielung (dies wäre wohl schon in diesen frühen Jahren der russischen Musikgeschichte ein allzu expansives Vorhaben), wohl aber im Rahmen einer repräsentativen Anthologie vorgestellt haben. Mit der vorliegenden Neuerscheinung beginnt der zweite Teil, der gemäß Eigenbeschreibung dem Silbernen Zeitalter und der Ära des Art Nouveau gewidmet ist.
Die russische Tradition des Trios „in memoriam“
Streng genommen kommt es dabei wenigstens chronologisch zu gewissen Überschneidungen: wurde in Folge 5 das 1911 entstandene Trio von Sergej Juferow durchaus mit Berechtigung als eine Art Abgesang auf das Silberne Zeitalter präsentiert, so geht es mit den beiden Klaviertrios von Sergej Rachmaninow nun zunächst in die frühen 1890er Jahre zurück. Beide sind als Trio élegiaque bezeichnet, das erste (in g-moll), unveröffentlicht gebliebene ohne explizite Widmung, das zweite (d-moll op. 9) 1893 als Epitaph für Tschaikowski entstanden, der den jungen Rachmaninow seit Beginn ihrer Bekanntschaft gefördert hatte. Gleichzeitig greift Rachmaninow mit diesen Gedenk-Trios ganz explizit eine regelrechte Tradition des russischen Klaviertrios auf, wie die vorliegende Edition ja bereits hinlänglich dokumentiert hat. Neben Tschaikowskis Trio, das Rachmaninow im Falle seines Trios Nr. 2 als Vorbild gedient hat, wären hier etwa auch Arenski, Pabst oder (wenngleich später) eben auch etwa der kaum bekannte Juferow zu nennen, mit etwas Dehnung des Begriffs könnte man sogar schon Glinkas Trio hier einreihen. Wohlgemerkt: bereits die Tatsache, dass sich durch diese Serie ein solches Panorama ergibt, zeugt von ihrem Wert per se.
Eindrückliche, differenzierte Lesarten
Mit der Musik selbst widmet sich das Brahms-Trio auf diesem Album in bislang stärkstem Maße diskographisch sehr gut erschlossenem Repertoire. Der Eindruck, der sich dabei ergibt, ist ein insgesamt ausgesprochen positiver. Durch die fünf bisherigen Alben hindurch zeichnen sich die Interpretationen des Ensembles durch ein eher zurückgenommenes Naturell aus, und bis zu einem gewissen Grade gilt dies auch für die beiden Rachmaninow-Trios. Das Prozessionsartige dieser Musik (z.B. Ende des Trios Nr. 1, Beginn und Ende des 1. Satzes des Trios Nr. 2) begreift das Brahms-Trio eher fahl als aufbegehrend, eine stimmige, auf ihre Weise sehr eindrückliche Lesart. Überhaupt geht das Brahms-Trio des Kopfsatz des Trios Nr. 2 zunächst eher gedämpft an (etwa im Vergleich zum Borodin-Trio auf Chandos, das diesen Beginn präsenter begreift), lässt die Musik sich erst nach und nach entwickeln. Die folgenden Steigerungen aber realisiert das Trio sehr wohl mit erklecklicher Intensität und Bereitschaft auch zu klanglicher Massierung. Nichtsdestotrotz bleibt Raum für Differenzierungen – vorzüglich etwa, wie Natalia Rubinstein ab Ziffer 4 den hartnäckig wiederholten Gs im Klavier sehr eindringlich den Charakter von Glockenklänge verleiht. Es fällt dabei auf, dass das Brahms-Trio in beiden Sonatensätzen (also wiederum dem 1. Satz des Trios Nr. 2 sowie dem einsätzigen Trio Nr. 1) die Reprise ein gutes Stück verhaltener angeht, ein wenig im Sinne eines Echos, natürlich graduell verstanden.
Spielkultur und Sinn für Lyrik
Vergleichsweise robust versteht das Ensemble die Durchführung des Trios Nr. 1, aus meiner Sicht eine kluge Entscheidung, von dem das im Vergleich zum später überarbeiteten Trio Nr. 2 (das Brahms-Trio spielt übrigens die Fassung von 1917) noch deutlicher als Frühwerk erkennbare g-moll-Trio durchaus profitiert. Eine hervorragende Visitenkarte für das Trio ist auch seine Lesart des Variationssatzes des Trios Nr. 2, kommen doch in der Vielfalt der Variationsfolge und speziell im Klangzauber der langsamen, introvertierten Variationen die Spielkultur und der exquisite Sinn für Lyrik des Ensembles auf glänzende Art und Weise zur Geltung.
Spannender Ausblicke
Als sehr gelungen erweist sich der Begleittext der CD (leider nur in englischer Sprache verfügbar), verfasst von Natalia Rubinstein selbst. Es lohnt sich, einen Blick auf die Internetpräsenz des Trios zu werfen; dort ist bereits ein Ausblick auf die weiteren Folgen dieser Edition verfügbar, der sich enorm spannend (u.a. mit vielen Ersteinspielungen) liest. Das vorliegende Album jedenfalls ist hervorragend gelungen, in gewisser Hinsicht (was die Interpretationen per se anbelangt) vielleicht sogar der bisherige Höhepunkt dieser Reihe, ohne dabei freilich die Neuentdeckungen der bisherigen Folgen in irgendeiner Weise schmälern zu wollen.
Holger Sambale [13.07.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Klaviertrio Nr. 1 g-Moll (Trio élégiaque) | 00:15:01 |
2 | Klaviertrio Nr. 2 d-Moll op. 9 (Trio élégiaque) | 00:47:55 |
Interpreten der Einspielung
- The Brahms Trio (Klaviertrio)