Naxos 8.559100
1 CD • 55min • 2002
08.04.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es ist ein großes Verdienst der Naxos-Reihe „American Classics“, dass auch das sinfonische Schaffen von Leonard Bernstein über die West Side Story hinaus in das Bewusstsein vieler Klassik-Kunden rückt. Keinen hätte das mehr gefreut als den großen Dirigenten selbst, der wie viele andere Doppelbegabungen zu seinen eigenen Werken ein zwiespältiges Verhältnis hatte – wenn er sich auch im Konzertsaal und auf Schallplatte weitaus stärker für eigene Stücke einsetzte als viele andere.
Trotzdem wird von vielen ausübenden Künstlern wie auch Forschern bis heute übersehen, dass Bernstein mit seinen drei Sinfonien, seinem Konzert für Orchester und der Serenade nach Platons Symposium fünf äußerst gewichtige Beiträge zur sinfonischen Konzertmusik des 20. Jahrhunderts geleistet hat. Daß es ihm dabei immer auch um den Konflikt der östlichen und westlichen Kulturen, um die musikalische Auslotung jüdischer wie christlicher Traditionen ging, verleiht diesen Werken angesichts des anhaltenden Bürgerkriegs im nahen Osten eine dramatische Aktualität. Und gerade angesichts dessen stimmt es traurig, dass viele sich gegenseitig aus Rechthaberei mordende Parteien eben jener Botschaft verschließen, die alle Werke Bernsteins durchzieht – dass der Mensch seine Menschlichkeit durch den Glauben an sich selbst wiedergewinnen kann.
Die 1942 entstandene erste Sinfonie Jeremiah beruht auf Motiven aus den Lamentationen des Jeremias und der jüdischen Liturgie; Jubilee Games entstand ursprünglich 1986 für den 50. Geburtstag des Israel Philharmonic Orchestra, mit dem Bernstein immer wieder gearbeitet hat. Insbesondere die Improvisationen der Orchestermusiker tragen dazu bei, das Werk zu einem ausdrücklichen Plädoyer für den Wert der individuellen Freiheit werden zu lassen.
James Judd und sein Orchester aus Neuseeland nehmen sich dieser dramatischen Musik mit allem gebotenen Ernst an und überzeugen speziell in jenen Passagen, die besonderen rhythmischen Drive erfordern. Die langsamen Abschnitte wirken „entsentimentalisiert“ und erreichen nicht jene dramatisch bohrende Intensität, die Bernstein selbst so unübertrefflich zu schaffen wusste. Das nimmt insbesondere dem Finale der Sinfonie – ungeachtet des vorzüglichen Gesangssolos von Helen Medlyn – etwas von seinem Gewicht. Hier bleibt der live-Mitschnitt mit Christa Ludwig und dem Israel Philharmonic unter Bernstein selbst meine Referenz (DG 431 028 2). Auch der Mitschnitt der Uraufführung des Orchesterkonzerts unter Bernstein (DGG 447 956 2) ist um einiges nerviger als diese kompetente, aber etwas zurückhaltendere Einspielung unter James Judd.
Dr. Benjamin G. Cohrs [08.04.2004]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Leonard Bernstein | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 für Mezzosopran und Orchester (Jeremiah Symphony) | |
2 | Concerto for Orchestra (Jubilee Games, 1985/1989) |
Interpreten der Einspielung
- Helen Medlyn (Mezzosopran)
- Nathan Gunn (Bariton)
- New Zealand Symphony Orchestra (Orchester)
- James Judd (Dirigent)