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Besprechung CD

Max Reger

SWRmusic 93.110

1 CD • 78min • 2002, 2000

25.05.2004

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Wann endete die Romantik? Die Antwort ist spekulativ, denn es geistern ja nach wie vor noch unzählige offene und versteckte Romantizismen durch die Musikwelt. Dennoch, kaum eine Musik fasst die wesentlichen Merkmale der Musik des 19. Jahrhunderts so entschieden zusammen wie das Spätwerk des 1916 verstorbenen Max Reger. Und in kaum einer Musik wird – von Mahler abgesehen – der Zerfall einer Tonsprache mit solcher Raffinesse und einer fast neurotischen Liebe zum Detail auskomponiert, wie in den beiden 1911 und 1915 komponierten letzten Violinsonaten des aus der Oberpfalz stammenden Komponisten.

Nachum Erlich und Siegfried Mauser standen vor der keineswegs leichten Aufgabe, in einer zwischen offener Expressivität, glühender Kantilene, sarkastischem Humor und einer fast ständig ihr Tongeschlecht wechselnden Musik einen roten Faden zu finden. Dass es ihnen trotzdem gelang, ist der interessanten Tatsache zu verdanken, dass hier bei allem Reichtum an emotionalen Spannungen immer der Komponist Reger gegen den Ausdruckskünstler Reger verteidigt wird. Ausschlaggebend dafür ist in erster Linie das sehr kluge und übersichtliche Klavierspiel Siegfried Mausers. Denn bei aller Emphase, mit der Nachum Erlich seinem Instrument Klänge voller Intensität und Zartheit abgewinnt, dominiert in Summe die Konzentration auf die formale Geschlossenheit und Transparenz hinsichtlich der harmonischen und rhythmischen Entwicklungen bzw. Variationen.

Besonders deutlich wird das in den Mittelsätzen. Der wohl am „einfachsten“ (der Begriff „einfach“ ist bei Regers Kammermusik schon sehr weit oben anzusetzen) zu hörende Satz, das Vivace aus der e-Moll-Sonate, ist das wohl beste Beispiel. Gleich einer von Mahlers albtraumhaften Geistermusiken tanzen Violine und Klavier einen gespenstischen Reigen auf den einsturzgefährdeten Fundamenten der Musik der Romanik. Wie sehr Reger diese Klangsprache dennoch am Herzen lag, davon zeugt das folgende Adagio aus der e-Moll-Sonate ebenso wie das Largo aus dem Werk in c-Moll. Ehrlichs silbern schimmernder Ton und Mausers Gespür für Regers architektonischen Spannungsaufbau bringen die Kraft der spätromantischen Emphase nochmals zum Glühen, besonders schön in den selbstvergessenen Doppelgriffpassagen der e-Moll-Sonate. In den Ecksätzen dominiert die an der Musik Bachs geschulte komplexe Satztechnik Regers, die von Erlich und Mauser mit ebensoviel Verve wie Leichtigkeit in Klang übertragen wird.

Obwohl zwischen den Aufnahmen der beiden Sonaten fast zweieinhalb Jahre liegen, finden sich hinsichtlich des Interpretationsansatzes keinen nennenswerte Unterschiede. Klanglich betrachtet werden die Obertöne der Violine bei op. 122 um eine Spur feiner wiedergegeben und auch die Balance der Instrumente ist hier ausgeglichener.

Wer den Dekonstruktivismus der späten Sinfonien Mahlers kennt und schätzt und noch eine Spur tiefer in die sterbende Welt der Romantik blicken möchte, dem sei diese Aufnahme, eine Musik am Wendepunkt der Epochen, wärmstens empfohlen.

Robert Spoula [25.05.2004]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Max Reger
1Sonate Nr. 8 e-Moll op. 122 für Violine und Klavier (1911) 00:39:39
5Sonate c-Moll op. 139 für Violine und Klavier (1915) 00:38:33

Interpreten der Einspielung

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