Musik aus Russland
OehmsClassics OC 351
1 CD • 63min • 2002
17.11.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Diese archaisch-orthodoxe Musik soll Rachmaninoff 1915 komponiert haben? Das sollen Solisten und Choristen des Bayerischen Rundfunks mit "authentischer" russischer Seele gesungen haben? Das soll in der Münchner St. Michael-Kirche unter Hinzufügung einer den altslawischen Kirchentext bis zur phonetischen Unverständlichkeit zudeckenden russischen Kathedral-Halligkeit aufgenommen worden sein? Man ist angesichts des ostkirchlich-meditativen Klangergebnisses geneigt, solche – natürlich sinnwidrigen – Fragen zu stellen. Andererseits lassen sich gewisse Unnachahmlichkeiten, wie sie auf repräsentativen Vergleichsproduktionen von russischen oder bulgarischen Nationalchören vorgetragen und religiös „gelebt“ werden, nicht verheimlichen. Wie auch immer, auch die Handschrift Rachmaninoffs ist nicht frei von Einflüssen eines romantischen Historismus, der die Popularität vergleichbarer Kompositionen seines Vorbildes Tschaikowsky und eigener Beiträge in deren Heimat erklärt. Erstaunlich ist allerdings, wie ihnen der stilistische Spagat von den rigorosen liturgischen Vorschriften mit deren traditionsreichen Melodievorlagen („Raspew“) und sakrosanktem Gottesdienst-Ritual zu ihren eigenen Visionen von Werk, Klang und kirchlicher Funktion gelingt. Dennoch bleibt jeder Versuch einer konzertante Wiedergabe im modernen, medientechnischen Sinne eine Krücke und Surrogat, denn ein derart gewaltiges Glaubensbekenntnis wie Rachmaninoffs große Vespermusik Opus 37 ist auch als musikalische Gesamtaufnahme immer nur ein Fragment, solange die Lesungen, Gebete und Predigt fehlen, für die das hier zu hörende kirchenmusikalische Element nur einen stimmungsvoll ergänzenden und überhöhenden Rahmen darstellt. Larissa Kowal-Wolk vermittelt dankenswerterweise in ihrem Beihefttext etwas von solchen Voraussetzungen, die zum Verstehen dieser Musik gehören. Eindrucksvoll läßt die Autorin ein Bild des altrussischen Ambiente entstehen, das zu einer ganznächtlichen Andachtsversenkung vom späten Abend bis zum frühen Morgen vor besonderen Feiertagen beiträgt. Im oft schlichten, entsprechend den byzantinischen Kirchentonarten stereotyp wirkenden Harmoniefluß erlebt der gläubige Mensch in fast klösterlicher Versunkenheit hier die 15 gesungenen Abschnitte nach den traditionellen russisch-orthodoxen Melodievorlagen des „Großen Abend- und Morgenlobes“, wie es eigentlich in der richtigen Reihenfolge heißen müßte. Die mit eindrucksvoll vorgetragenen Solopartien (Tenor und Alt) ausgestattete Chorversion von Sergej Rachmaninoff vertont folgende Textabschnitte: Lasset uns beten – Lobe den Herrn, meine Seele – Seligpreisung – Abendlicht, du heil'ges Strahlen – Herr, nun lässest Du in Frieden fahren dahin Deinen Knecht – Marienlob I „Ave Maria“ – Ehre sei Gott in der Höhe I – Lobet den Namen des Herrn – Gelobet seist Du, o Herr – Auferstanden ist Christus – Magnifikat – Ehre sei Gott in der Höhe II – Auferstehungs-Tropar I „Heut ward wahr die Erlösung der Welt“ – Auferstehungs-Tropar II „Auferstanden bist Du“ – Marienlob II „Heil'ge Mutter Gottes“.
Dr. Gerhard Pätzig [17.11.2004]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Vesper op. 37 (Vesper; Das große Abend- und Morgenlob und russische Volksmusik) |
Interpreten der Einspielung
- Chor des Bayerischen Rundfunks (Chor)
- Michael Gläser (Dirigent)