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2 CD • 2h 06min • 2005
11.11.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wie man eine mittelmäßige Produktion schon vorab zum künstlerischen Großereignis des Jahres hochstilisiert und wie man die Medien, auch die seriösen, dazu bewegen kann, dieses Spiel mitzuspielen, hat die Deutsche Grammophon in Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen in diesem Jahr in beispielhafter Weise vorgeführt. Ein Triumph des Marketing, den man als solchen anerkennen muß. Nur wenige Wochen nach dem „Event“ liegt die Tonkonserve vor, der die DVD in Kürze folgen wird. Und die kritischen Musikfreunde können nun weltweit überprüfen, wie weit im Falle dieser Traviata Anspruch und Wirklichkeit auseinanderliegen.
Nun also erst einmal die CD: Die leise Hoffnung, daß die Aufführung, losgelöst von der kunstgewerblichen, mit einfältiger Symbolik operierenden Szene beim reinen Hören musikalische Qualitäten enthüllen könnte, die man beim Sehen nicht mitbekommen hatte, erfüllt sich leider nicht. Vielmehr kann der Mitschnitt in der stattlichen Diskographie des Werkes bestenfalls einen mittleren Platz beanspruchen.
Das liegt zunächst einmal am Dirigenten Carlo Rizzi, der sich mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit durch die Partitur schlägt, mal fahrig, mal knallig, wobei die oft sehr raschen Tempi nicht der inneren Dramatik der Handlung verpflichtet sind, sondern eher einem Stoßseufzer gleichkommen: „Nichts wie raus hier!“ Daß im Graben die Wiener Philharmoniker spielen, steht deutlich auf dem Cover und wir müssen es glauben.
Die zum Superstar hochgepuschte Russin Anna Netrebko kann einem nur leid tun. Sie besitzt eine bildschöne Stimme, eine sehr gute Technik, ist feiner piani und diminuendi fähig, aber eine dramatische Sängerin ist sie nicht, ihre Violetta ist an keiner Stelle ein tragischer Charakter. Von dem hohen Sockel, auf den die Reklame diese Sängerin stellt, wird sie bald herunterfallen.
Das könnte auch für Rolando Villazón gelten, wenn er die Fehler von Giuseppe di Stefano und José Carreras wiederholen sollte. Er ist ein temperamentvoller, passionierter Alfredo mit bemerkenswerter Phrasierungskultur, aber im Drang, die riesige Bühne zu füllen, strapaziert er sein schönes lyrisches Material über Gebühr und verliert dabei merklich an Schmelz. Der künstlerisch so vielseitige Thomas Hampson ist als Verdi-Bariton nur zweite Wahl, er gibt einen liedhaft-verhaltenen Vater Germont, dem gleichwohl der dramatische Biß fehlt.
Ekkehard Pluta [11.11.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | La Traviata (Opera in tre atti) |
Interpreten der Einspielung
- Anna Netrebko (Violetta Valéry - Sopran)
- Helene Schneiderman (Flora Bervoix - Sopran)
- Diane Pilcher (Annina, Violettas Dienerin - Mezzosopran)
- Rolando Villazón (Alfredo Germont - Tenor)
- Thomas Hampson (Giorgio Germont, Alfredos Vater - Bariton)
- Salvatore Cordella (Gastone, Vicomte de Létorières - Tenor)
- Paul Gay (Baron Douphol - Bariton)
- Herman Wallén (Marchese d' Obigny - Baß)
- Luigi Roni (Dottor Grenvil - Baß)
- Tritan Luca (Giuseppe, Violettas Diener - Tenor)
- Wolfgang Igor Derntl (Diener Floras - Baß)
- Friedrich Springer (Ein Bote - Baß)
- Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor (Chor)
- Wiener Philharmoniker (Orchester)
- Carlo Rizzi (Dirigent)