Live in Ramallah
Warner Classics 2564 62791-2
1 CD • 70min • 2005
09.01.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Unter normalen Umständen wäre das Urteil über diese Veröffentlichung kurz und bündig gesprochen. Es wäre allerdings nicht druckfähig. Denn das, was wir hier zu hören bekommen, konkurriert mit der untersten Kreisklasse, ist selbst für tolerante Ohren eine Zumutung und hätte – wenn es um künstlerische Belange gegangen wäre – den direkten Weg auf eine entlegene Deponie finden müssen. Doch weil wir es mit dem Live-Mitschnitt einer Veranstaltung zu tun haben, die am 21. August 2005 im Kulturpalast von Ramallah stattfand, sind wir natürlich gehalten, alle musikalischen Belange und Erwägungen hintanzustellen und uns von der eigentlichen Botschaft dieses Produkts zu politisch korrekten Formulierungen inspirieren zu lassen.
Das fiele freilich bedeutend leichter, wenn irgendwo in dem Booklet vermerkt wäre, wem – wenn nicht der Firma Warner – der Erlös aus dem Verkauf der Scheibe zugedacht ist. Nach mehrfachlicher und eingehender Okularinspektion wollte es mir jedoch nicht gelingen, eine Stiftung oder Organisation ausfinding zu machen, die etwas von den 35 Mark hätte, für die es CD gibt, oder gar von den knapp 80 Mark, um die man das Ganze auf zwei DVDs erwerben könnte. (Welche Funktion die nur unter der Leselupe erkennbare „Fundación Barenboim-Said” wahrnimmt, wird nicht näher erläutert.)
Statt dessen belehrt uns ein Sticker auf der Verpackung mit den Worten der Süddeutschen Zeitung darüber, daß es sich hier um „das außergewöhnlichste Konzert des Jahres” handelt (den Doppelsinn erfaßt man erst beim Hören); die obere Hälfte des Covers zeigt das triste Schwarzweiß einer vermauerten und umzäunten Niemandszone, vor der ein Musiker seinen Cellokasten auf dem Buckel schleppt: Wer da nicht sofort an Trümmerfrauen, Bombennächte, die Todesstreifen im „alten” Berlin denkt, verdienet nicht, ein Mensch zu sein, der guten Gewissens noch seinen Mozart, seinen Beethoven goutiert ...
Es soll ja gar nicht bezweifelt werden, daß die Organisation und Durchführung des „Events” mit vielen Mühen und Opfern, mit viel Hoffnung und Idealismus verbunden war. Sicher war und ist es auch über die Maßen verdienstvoll, Musiker aus Palästina, Andalusien, Israel, dem Libanon mit ein und demselben Ziel zusammenzubringen – Mozarts Sinfonia concertante für Bläser nämlich und Beethovens fünfte Sinfonie einzustudieren und vor einem Publikum aufzuführen, das derlei weder alle Tage noch alle Jahre zu hören bekommt. Fernerhin werde ich mich hüten, dem Dirigenten („wir kommen mit einer Botschaft der Menschlichkeit”) andere als edle Motive zu unterstellen; schließlich hat Daniel Barenboim auch der israelischen Orthodoxie vor einigen Jahren ganz gehörig eingeheizt, als er Wagner ins gelobte Land brachte.
Ich weigere mich allerdings entschieden, für den Erwerb eines kommerziellen Produkts zu plädieren, das von der bescheidenen Aufnahmetechnik bis zu der teils amateurhaften, immer aber klotzigen Ausführung einfach nur schlecht ist. Wenn wenigstens der Saal hörbar begeistert wäre, wenn sich etwas von der angeblich so euphorischen (nicht: enthusiastischen) Stimmung mitteilte und man vor allem irgendwo lesen könnte, daß ein Teil des Profits zum Aufbau eines Musikschulwesens in Palästina, zur Anschaffung von Lehrbüchern oder gar zur Umerziehung der politischen Drahtzieher diente, dann dürfte man über eine Spende in der genannten Höhe nachdenken und die Scheibe als Untersetzer verwenden. Aber davon ist, wie gesagt, nirgends die Rede. Und das verstimmt.
Rasmus van Rijn [09.01.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Sinfonia concertante Es-Dur KV 297b für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester | |
Ludwig van Beethoven | ||
2 | Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 |
Interpreten der Einspielung
- West-Eastern Divan Orchestra (Orchester)
- Daniel Barenboim (Dirigent)