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Besprechung CD

Johann Sebastian Bach

Matthäus-Passion BWV 244

Challenge Classics CC 72232

2 CD • 2h 34min • 2005

03.04.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Im Gegensatz zu den Kantaten der Gesamtaufnahme legt Ton Koopman die Matthäus-Passion in einem Konzertmitschnitt vor; sie wurde im März 2005 im niederländischen Amersfoort aufgezeichnet. Um nachvollziehen zu können, was diese veränderten Aufnahmebedingungen für einen Unterschied machen, dürfte es helfen, Koopmans Bühnenpräsenz einmal kurz zu beschreiben. Koopman, das haben viele Auftritte gezeigt, ist an dirigentischer Technik selbst kaum interessiert; sein Ensemble, Amsterdam Baroque Choir & Orchestra, ist ohnehin so auf ihn eingeschworen, daß bezüglich der bloßen Koordination kaum einmal Probleme auftreten. Das führt aber dazu, daß ihn die Leitung des Ensembles allein mitnichten ausfüllt. Gut also, daß Koopman Cembalo oder Orgel-Positiv vor sich stehen hat, und sich – durchaus nie im unpassenden Moment, aber dennoch praktisch in jeder freien Sekunde – auch spielend in das Geschehen einmischen kann.

Dabei geht sein Engagement weit über die im Barock und in der Klassik übliche Praxis, das Orchester vom Continuo aus zu leiten, hinaus. Koopman bringt als Begleiter stets seine volle Virtuosität am Tasteninstrument ein. Es vergehen kaum zwei Takte, in denen er nicht Verzierungen einbauen würde. Entsprechend rückt er als improvisatorisch hochbegabter nachschaffender Musiker so nahe an den schaffenden Musiker heran, wie es wohl überhaupt möglich ist. Auch diesen Live-Mitschnitt der Matthäus-Passion zeichnet die ungewöhnlich lebendige Ausfüllung des Continuo-Parts aus, was besonders die Pilatus-Szenen, Verhör und Geißelung, dramatisch ungemein auflädt.

Häufig verbindet Koopman die einzelnen Akkorde oder rezitativischen Anschlüsse mit kleinen Improvisationen. So entfaltet sich das Passions-Geschehen unter Koopmans Leitung aus einem einzigen Guß; es stellt sich eine Kohärenz ein, die durch eine Studio-Aufnahme wohl kaum zu erreichen gewesen wäre. Besonders in größer dimensionierten Nummern, etwa den großen Chorälen zum Eingang oder Schluß, spürt man aber auch sofort, wenn Koopman das Geschehen zu statisch vorkommt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ensembleleitern der Alte-Musik-Szene greift er dann sofort ein, schießt frische Energie zu und hat auch den Mut zu subtilen, aber merklichen agogischen Rückungen, etwa einem Anziehen des Tempos. Ähnliches gilt auch für die Arien, die Koopman tendenziell auf Zwischenhöhepunkte hinführt und damit, im Gegensatz zu vielen Kollegen, sehr dynamisch musizieren läßt.

Dabei geht diese Spontaneität des Musizierens nie auf Kosten der Perfektion. Glückliche Hand hatte Koopman mit der Auswahl der Solisten, weil sich hier starke Einzel-Persönlichkeiten zu einem stimmigen Ganzen fügen. Der intensive Sopran Cornelia Samuelis’ wird ergänzt durch den festen, kräftigen Alt von Bogna Bartosz. Tendenziell etwas blasser bleiben die männlichen Solisten, vielleicht weil die mitunter recht drängenden Tempi sowohl dem klaren Tenor Paul Agnew wie auch dem noblen Baß Klaus Mertens einen Grad zu sehr zusetzen. Ein schärferes Profil erreichen die erzählenden Figuren, der sehr expressive Jörg Dürmüller als Evangelist und die jugendliche, dennoch von Ekkehard Abeles würdevoll gestaltete Jesus-Partie. Auch der Chor zeigt sich begeisternd ausgeglichen, nicht zuletzt bezüglich seiner Balance mit dem Orchester. Dies alles sind zwar Qualitäten, die auch die Kantaten-Aufnahmen Koopmans auszeichnen; diese Live-Version der Matthäus-Passion hat jenen jedoch noch die Unmittelbarkeit des lebendigen Konzertes voraus, die sich bei Koopmans Persönlichkeit eben besonders stark auswirkt.

Prof. Michael B. Weiß [03.04.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Matthäus-Passion BWV 244

Interpreten der Einspielung

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