Leoš Janáček
Works for Piano Solo

SWRmusic 93.181
2 CD • 1h 30min • 2005
28.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als interessant und sehr bedenkenswert empfinde ich es für das Verständnis (und für die Interpretation) der Klavierwerke Leos Janáceks, dass er die Satzüberschriften erst nachträglich hinzugefügt hat – oder haben soll. Überdies: Beate Schröder-Nauenburg lässt in ihrem ausgezeichneten Einführungstext dahingestellt, ob und „in welchem Maße außermusikalische Assoziationen tatsächlich Auslöser für diese Kompositionen waren“. Und sie zitiert abschließend den Komponisten: „Ich will in jedem Ton Spuren davon, dass er … durch die Feueresse des Herzens ging.“ Man darf jedoch – das wage ich zu Bedenken geben – davon ausgehen, dass die Sonate von der Straße – 1. X. 1905 eine mehr oder weniger direkte musikalische Reaktion auf die Vorfälle zwischen deutschen und tschechischen Bevölkerungsschichten war, in deren Verlauf ein tschechischer Arbeiter erstochen wurde.
Trauer, Wehmut, Schmerz, Sehnsucht, Lächeln unter Tränen – eine Fülle von Nuancen ist charakteristisch für Werke wie die genannte Sonate, für die Im Nebel-Düsternis und für die beiden Serien Auf verwachsenem Pfade. Lockerer im Ausdruck, verbindlicher hingegen sind die früh entstandenen Variationen von 1880. Ewa Kupiec nun, die polnische Pianistin, weiß mit diesen unterschiedlichen Sachverhalten umzugehen. Sie weiß um die Reizzonen des innerlichen Brodelns, des nach außen Drängenden, zuweilen auch des Herausgeschrienen, mithin: sie erfühlt und sie beschreibt im Extremfall via Klaviatur die Expression gepeinigter, um Hilfe suchender Individuen. Und sie trifft auch die von Janácek gleichsam sprachmusikalisch übersetzen, vorsichtig enthüllten Botschaften des Trostes, der Entkrampfung. Sie leiten in manchen Passagen ins Träumerische, ja ins fast körperlich spürbar Gestreichelte. In dieser Hinsicht ist Kupiec etwa dem um Etliches formeller, nüchterner vorgehenden Leif-Ove Andses überlegen. Und auch dem jungen Severin von Eckardstein ist sie um eine Nasenlänge voraus, bewegt sich eher in Nachbarschaft zu Alexander Lonquich, mit dem eine Janácek-Gesamtaufnahme (für ECM!) dringend zu wünschen wäre. András Schiffs Darstellungen hingegen sind mir eine Spur zu gutgläubig, zu positiv in Farbe und Mitteilung, jene der Landsleute Janáceks – Firkusny und Moravec – geprägt von Erfahrung im Gefahrenbereich von Routine, will sagen: es fehlt mir das letzte Quentchen an Differenzierung.
Vergleichsaufnahmen: Sonate: Novacek (Landor Records 274), Fountain (EMI 574164 2), A.Schiff (ECM 461660-2), Andsnes (EMI 574789 2), Lonquich (obligat 01.102S), Moravec (Hänssler 98.399), von Eckardstein (MDG 604 1141-2), Firkusny (DG); Im Nebel: Ardasev (Supraphon SU 3416-2 131), A. Schiff (ECM 461660-2), Moravec (Hänssler 98.399), Marsoner (ORF CD 330); Auf überwachsenem Pfade I und II: A. Schiff (ECM 461660-2).
Peter Cossé † [28.03.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Leoš Janáček | ||
1 | Klaviersonate 1.X.1905 - Von der Straße es-Moll | 00:13:25 |
3 | Eine Erinnerung (1928) | 00:00:58 |
4 | Drei mährische Tänze (1891/1893) | 00:07:16 |
7 | Tema con variazioni | 00:10:11 |
8 | Im Nebel (vier Klavierstücke) | 00:15:14 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Auf verwachsenem Pfade | 00:43:24 |
Interpreten der Einspielung
- Ewa Kupiec (Klavier)