OehmsClassics OC 609
2 SACD • 1h 38min • 2005
29.06.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Händels Oratorien fanden im Wien der späten Aufklärungszeit ein begeistertes, wenn auch kleines Publikum, wie Mozarts deutsche Version des Messias, die er 1789 für Baron Gottfried van Swieten anfertigte, beweist. Haydn hatte auf zwei Englandreisen Bekanntschaft mit dem großartigen Musikleben der Insel und der dort stets lebendigen Händel-Tradition gemacht. Von der zweiten Englandreise brachte er 1795 ein englisches Textbuch zu einem Schöpfungsoratorium mit, das obendrein noch im mythischen Ruf stand, dereinst zur Komposition durch Händel verfaßt worden zu sein. Der nimmermüde Händel-Bewunderer van Swieten fertigte eine deutsche Version des Textes an, und Haydn vertonte dieses Libretto als erstes seiner beiden großen Oratorien, die von einem großen Publikum begeistert gefeiert wurden. Sie sollten – am Ende seines Schaffens – zur letzten Pioniertat dieses Meisters werden, der den Anfang und das Ende der Wiener Klassik in sich begreift: Mit der Schöpfung und den Jahreszeiten stieß Haydn die Tür zur oratorischen Tradition Deutschlands im 19. Jahrhundert auf!
Ivor Bolton ist interpretationstechnisch gewissermaßen „mit allen Wassern gewaschen“, er versteht sich gleichermaßen auf den Umgang mit Ensembles der historisch orientierten Musizierweise wie auf in modernen Techniken ausgebildete Besetzungen. Von Nikolaus Harnoncourt eine vergleichbare Aussage zu machen, käme einer Frechheit gleich, gehörte der österreichische Maestro doch der ersten Generation der Musiker der historischen Aufführungspraxis an und scheute er sich doch später nicht, seine reichen musikalischen Erfahrungen auch Musikern zu vermitteln, die nicht im Horizont der Alten Musik ausgebildet waren.
Für den Vergleich der beiden zeitnah entstandenen Aufnahmen (Harnoncourt: 2003, Bolton: 2005) ergibt sich als interessante Ausgangssituation, dass Harnoncourt mit seinem historischen Orchester Concentus Musicus musiziert, Ivor Bolton indes (der Harnoncourts Sohn sein könnte) das auf modernen Instrumenten musizierende Mozarteum Orchester Salzburg dirigiert. Beide Dirigenten haben sich als Continuoinstrument für ein Hammerklavier entschieden.
Der vergleichende Höreindruck beider Versionen führt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Harnoncourt scheint bereits auf das deutsche 19. Jahrhundert vorauszuweisen, gleitet allerdings nicht in Romantizismen ab. Bolton seinerseits wurzelt deutlich in der englischen, durch Händel bestimmten Tradition, ohne dass er dabei im Sumpf des Gestrigen zu versinken droht. Die Sängerbesetzungen erweisen sich als ebenbürtig; und diesem Glücksfall verdankt der Rezensent die Möglichkeit, beide Aufnahmen als gleichwertige Alternativen zu empfehlen, die der Musikfreund auch beide besitzen sollte.
Vergleichsaufnahme: Röschmann, Schade, Gerhaher, Arnold Schönberg Chor, Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt (BMG dhm 82876 58340 2)
Detmar Huchting [29.06.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Die Schöpfung Hob. XXI:2 | 01:38:13 |
Interpreten der Einspielung
- Miah Persson (Sopran)
- Topi Lehtipuu (Tenor)
- David Wilson-Johnson (Bariton)
- Salzburger Bachchor (Chor)
- Mozarteumorchester Salzburg (Orchester)
- Ivor Bolton (Dirigent)