Alberto Ginastera Complete Piano and Organ Music
Naxos 8.557911-12
2 CD • 2h 21min • 2006
09.07.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die südamerikanische Klavierszene zeigt sich in letzter Zeit staunenswert belebt. Es sind ja letzten Endes mysteriöse Vorgänge, wenn sich urplötzlich in einem Land neue Begabungen regen und gleich einer kreativen Explosion über die Landesgrenzen hinaus bekannt werden. Ich denke da an jene Jahre, als aus Argentinien Martha Argerich und Bruno Leonardo Gelber, aus Urugay Homero Francesch – um nur drei Namen zu nennen – in Europa Furore machten. Und jetzt sind es junge Damen wie die Venezulanerin Gabriela Martinez oder die Argentinierin Gabriela Montero, die mit großem technischen Können und ganz individuellem Kommunikationsvermögen aufhorchen lassen. Zu diesen südamerikanischen Entdeckungen möchte ich auch den – mit Jahrgang 1969 allerdings nicht mehr ganz jungen – Argentinier Fernando Viani zählen. Seinen letzten Ausbildungsschliff erhielt er in Karlsruhe bei Sontraud Speidel. Zu seinen Wegweisern gehörten auch Ana Chumachenco, Oscar Lysy, der erwähnte Gelber und Dinorah Varsi.
Fernando Viani und den weiten Publikationsinteressen des Naxos-Labels ist es zu danken, endlich einmal Alberto Ginasteras Klavierwerke nicht nur in kleinen Dosierungen erleben zu können. Vor allem die drei Sonaten, von denen ich die oft gespielte op. 22 nach wie vor nicht nur als die attraktivste, sondern auch als die substanzvollste erachte, dazu die brillanten Tänze op. 2 und im umfangreichen Beiprogramm eine Reihe von überwiegend unterhaltsamen, pianistisch dankbaren Miniaturen. Viani hatte aber auch Gelegenheit, Ginasteras Zipoli-Bearbeitung und zwei originale Orgelwerke einzuspielen. Von ihnen werden die Variationen und Toccata op. 52 wohl zu Recht als Weltersteinspielung bezeichnet. Die Präsentation des 21 Minuten in Anspruch nehmende Stückes wird die weltweiten Organistengewohnheiten nicht wesentlich verändern, Vianis auskunftsreiche, farbenkluge Darbietung könnte jedoch den einen oder anderen Orgelspezialisten dazu verführen, einmal den Blick in diese Partitur (oder überhaupt über den Ozean) zu werfen. Die Toccata am Beginn der Satz-Trilogie op. 18 erinnert im ersten motivischen Moment an Bachs berühmte d-Moll-Toccata, und auch im Folgenden stand der alte Meister Pate für Ginasteras Orgelerwägungen aus dem Jahre 1947.
Anhand der Sonate Nr. 1 op. 22 lässt sich gut die pianistische Potenz eines Interpreten ermessen. Die gegensätzlichsten Spielformen und emotionalen Zustände sind hier erwünscht: entschiedenes Marcato, ruppige Bestimmtheit, gleitende, freilich nicht schwammige Unisono-Betriebsamkeit im zweiten „Presto misterioso“-Satz und leidenschaftliche Rhetorik im dritten Teil. Viani erweist sich auf allen genannten Ebenen und auch auf den hier nicht näher bezeichneten Zwischenebenen als aufmerksamer, wenn nötig auch sportlich brillanter Werkmanager. Nicht mit dem letzen, überwältigenden Drive einer Argerich, dafür aber mit etwas mehr Deutlichkeit in den extrem erhitzten Passagen.
Vergleichsaufnahmen: Sonate Nr. 1 op. 22: Berthold (Telos TLS 106); Pillado (Berlin classics 0011852 BC), Judd (Chandos 9914); Milonga: Piazzini (Arte Nova 74321 56343 2); Danzas Argentinas op. 2 Nr. 1 – 3: Berthold (Telos TLS 106), Piazzini (Arte Nova 74321 56343 2), Pillado (Berlin classics 0011802 BC), Argerich (EMI 556975 2), Sulzen (Orfeo C 181051 A); Nr. 3: Barenboim (EMI 557416 2)
Peter Cossé † [09.07.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alberto Ginastera | ||
1 | Danzas Argentinas op. 2 for Piano | 00:08:11 |
4 | Tres piezas op. 6 | 00:12:01 |
7 | Malambo op. 7 | 00:02:45 |
8 | 12 Preludios americanos op. 12 | 00:14:02 |
20 | Suite de Danzas Criollas op. 15 | 00:08:50 |
25 | Rondo sobre temas infantiles argentinos op. 19 | 00:03:12 |
26 | Danzas argentinas para los niños | 00:02:28 |
28 | Piezas infantiles I | 00:04:25 |
32 | Piezas infantiles II | 00:04:58 |
36 | Milonga op. 3 | 00:02:35 |
37 | Pequeña danza | 00:01:45 |
Domenico Zipoli | ||
38 | Toccata für Orgel (Bearb. für Klavier) | 00:07:23 |
CD/SACD 2 | ||
Alberto Ginastera | ||
1 | Klaviersonate Nr. 1 op. 22 | 00:15:02 |
5 | Klaviersonate Nr. 2 op. 53 | 99:12:53 |
8 | Klaviersonate Nr. 3 op. 55 | 00:04:51 |
9 | Toccata, Villancico y Fuga op. 18 | 00:14:23 |
12 | Variazioni e Toccata sopra Aurora lucis rutilat op. 52 | 00:21:16 |
Interpreten der Einspielung
- Fernando Viani (Klavier, Orgel)