Hugo Wolf Lieder nach Texten von Keller, Goethe, Mörike und anderen

Tacet 162
1 CD • 55min • 2007
26.02.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit dem Liedgesang sei es aus und vorbei, heißt es, keine Sänger, keine Zuhörer! Ob wirklich alles so stimmt, wie das von manchen behauptet wird? Immerhin gibt es Gegenbeweise, und mit einem höchst überzeugenden Argument hat man es bei dieser CD zu tun. Allein die Tatsache, daß sich die junge Sopranistin Merret Winger und ihr Klavierbegleiter Steffen Hartmann ein reines Hugo-Wolf-Programm für ihr erstes Schallplatten-Konzert ausgesucht haben, verdient Hervorhebung, denn Debütanten schlagen lieber einen weniger komplizierten Weg ein. Die Lieder Hugo Wolfs zählen zum Schwierigsten auf dem Gebiet der Vokalkunst, sie sind schwierig zu singen, zu spielen und sicher auch zu hören. Es bedarf großer Einfühlung sowohl für die Künstler als auch für die Zuhörer, sich in die eigenartig versponnene, oft sogar mysteriöse Klangwelt dieser Lieder hineinzuversetzen. Glücklich alle, die den „Schlüssel“ gefunden haben, der ihnen in dieses musikalische Wunderreich eröffnet.
Was Marret Winger mitbringt, ist beachtlich: Unterricht bei den Granden des Liedgesangs (und namentlich des Wolf-Liedgesangs), Schwarzkopf und Fischer-Dieskau. Dazu ein schönes, volltönendes Organ, das mit einem aparten welligen Vibrato ausgestattet ist und sich dadurch von den vielen genormten Stimmen unserer Tage unterscheidet. Man merkt, daß darin ein gesunder Kern steckt, auch Kraft für große Entfaltungen. Am Vortrag ist besonders die kühle Dezenz zu loben. Die Gesänge aus dem italienischen und spanischen Liederbuch verleiten Sängerinnen oft zu neckischem und affektiertem Getue. Davon hält sich Marret Winger vollkommen fern, ohne jedoch die Pointen der Texte außer Acht zu lassen. Die Sechs Alten Weisen nach Gottfried-Keller-Texten, Goethes Mignon-Lieder, dazu Die Bekehrte, Die Spröde, Anakreons Grab, schließlich drei Mörike-Vertonungen (Elfenlied, Das verlassene Mädchen, Er ist’s) – alles wird mit großem Können und sicherem Vortrag dargeboten.
Ein einziger Punkt ist zu beanstanden: die Aussprache. Und die ist gerade bei Hugo Wolf, diesem Genauigkeitspedanten, der jeden Beistrich, jedes Ruf- und Fragezeichen „mitkomponiert“ hat, von grundlegender Wichtigkeit. Die Vokale verwischen sich oft zu neutraler Färbung, die Konsonanten klingen zu wenig akzentuiert. Und „duich“ statt „durch“ (Elfenlied) ist absolut unzulässig. Keine Frage, daß solche Mängel leicht zu beheben sind.
Das Klavierspiel von Steffen Hartmann verdient eine Extra-Hervorhebung; da ist ein sensibler, technisch vollkommen ausgereifter Künstler am Werk, der sich auch geistig mit den Kompositionen auseinandersetzt, wie aus seiner klugen Werkeinführung im Beiheft hervorgeht. Dort findet man auch die Lied-Texte deutsch und englisch wiedergegeben.
Clemens Höslinger [26.02.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hugo Wolf | ||
1 | Tretet ein, hoher Krieger | 00:02:23 |
2 | Singt mein Schatz wie ein Fink | 00:01:13 |
3 | Du milchjunger Knabe | 00:01:18 |
4 | Wandl' ich in dem Morgentau | 00:01:51 |
5 | Das Köhlerweib ist trunken | 00:01:17 |
6 | Wie glänzt der helle Mond | 00:03:23 |
7 | Mignon I (Heiß mich nicht reden) | 00:03:46 |
8 | Mignon II | 00:02:27 |
9 | Mignon III | 00:03:37 |
10 | Kennst du das Land (Mignon IV, 1888/1889) | 00:06:24 |
11 | Philine (Singet nicht in Trauertönen) | 00:03:04 |
12 | Die Bekehrte | 00:03:02 |
13 | Die Spröde | 00:02:00 |
14 | Anakreons Grab | 00:02:53 |
15 | Klinge, klinge, mein Pandero (1889) | 00:01:47 |
16 | In dem Schatten meiner Locken (1889 - from: Spanisches Liederbuch – Weltliche Lieder) | 00:02:17 |
17 | Du denkst mit einem Fädchen mich zu fangen | 00:01:06 |
18 | Wie lange schon war immer mein Verlangen | 00:02:30 |
19 | Elfenlied for Soprano, Frauenchor and Orchestra | 00:02:26 |
20 | Das verlassene Mägdlein a minor (1888) | 00:03:42 |
21 | Er ist's (Frühling läßt sein blaues Band, 1888) | 00:01:28 |
Interpreten der Einspielung
- Marret Winger (Sopran)
- Steffen Hartmann (Klavier)