Johann Sebastian Bach Partitas - Clavier-Übung I BWV 825-830

Ramée RAM 0804
2 CD • 2h 40min • 2007
09.07.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es steht außer Frage, dass sich die Kompositionskunst des Barockzeitalters, insbesondere die Johann Sebastian Bachs, alle zur Verfügungen stehenden Techniken und Ratschläge der Rhetorik nutzbar machte. Besondere Bedeutung maß Bach der inventio (Gedankenfindung) und elocutio (Ausformung des musikalischen Materials) bei. Doch der Cembalist Pascal Debreuil, selbst ein Fachmann auf dem Gebiet der musikalischen Rhetorik, geht noch einen Schritt weiter. Nach einer eingehenden Analyse der sechs Partiten vermutet er hinter diesem einsamen Höhepunkt der Cembaloliteratur einen in der Form einer rhetorischen Periode gebauten Zyklus, „dem Vorbild Aristoteles‘ und der Humanisten folgend“. Weiter schreibt er im CD-Beiheft: „Ein vom Komponisten lange im Voraus geplantes, perfekt strukturiertes Werk, dessen einzelne Sätze […] miteinander verwoben sind und die Abschnitte eines immensen und langen Diskurses darstellen, mit verschiedenen Themen, jedoch immer in strenger Argumentation.“ Und genau dies kennzeichnet bis ins kleinste Detail die Haltung, die hinter Dubreuils bewundernswert elastischen Interpretationen der sechs Partiten (Clavier Übung I) steht. Mit einem beeindruckenden Gespür für Formen, Linienführungen, Strukturzusammenhänge und im Kleinen für die musikalisch-rhetorische Figurenlehre stellen sie jederzeit nachvollziehbar die Klangrede in den Vordergrund. Dabei kann Dubreuil auf ein exzellentes, klangprächtiges Instrument zurückgreifen, gebaut von Titus Crijnen 1996, und zwar nach dem Modell eines Cembalos aus dem Jahr 1624 von Hans Ruckers II, einem Mitglied der flämischen Instrumentenbauerfamilie, deren Instrumente im 17./18. Jahrhundert als unübertroffen galten.
Bei allem Empfindungs- und Erfindungsreichtum kann jedoch Dubreuils Spiel abschnittsweise eine recht konstruiert wirkende Strenge nicht verleugnen. Das mag an manch manieristischen Phrasierungen und nicht immer nachvollziehbaren rhythmischen Dehnungen liegen, was der Gestaltung der Partiten als musikalische Diskurse entgegenkommt, hin und wieder aber auch für Irritationen sorgen kann. Und was die Tempi angeht, so sind diese zwar mit Bedacht gewählt, Ausreißer nach oben und unten gibt es nicht; aber einige doch sehr bedächtige Zeitmaße, etwa in den Allemanden der ersten beiden Partiten, oder in der Caprice der zweiten und der Gigue der dritten Partita, entsprechen nach meinem Dafürhalten nicht unbedingt den Satzcharakteren und sind für eine mitunter nicht von der Hand zu weisende Schwerfälligkeit verantwortlich.
Trotzdem: Der dichten Schreibweise, reichen Kontrapunktik, den rhythmischen Finessen sowie den zahllosen und oft ungewöhnlichen Verzierungen begegnet Pascal Dubreuil mit einer auch in Sachen Artikulation überlegenen Spielkultur, mit einer seltenen Mischung aus Virtuosität und insgesamt dann doch bewundernswertem Zeitgefühl. Ohne ins Detail gehen zu müssen: Innerhalb der zu Charakterstücken umfunktionierten und von Pascal Dubreuil prägnant durchgeformten Tanzsätze erweist sich der Cembalist technisch wie geistig brillant (letzteres übrigens auch in seinem hoch interessanten Booklettext).
Christof Jetzschke [09.07.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 | 00:21:45 |
7 | Partita Nr. 2 c-Moll BWV 826 | 00:22:35 |
13 | Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830 | 00:33:05 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827 | 00:22:15 |
8 | Partita Nr. 4 D-Dur BWV 828 | 00:35:18 |
15 | Partita Nr. 5 G-Dur BWV 829 | 00:24:14 |
Interpreten der Einspielung
- Pascal Dubreuil (Cembalo)