Johann Sebastian Bach
Partitas BWV 827, 828, 829
Evgeni Koroliov
Tacet LC 07033
1 CD • 78min • 2020, 2023
24.12.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Der russische Pianist Evgeni Koroliov, 1949 in Moskau geboren und seit 1978 in Hamburg lebend und wirkend, gilt (bei aller Breite seines Repertoires) seit jeher als Bach-Spezialist erster Güte; gerne und häufig wird Ligetis hymnisches Lob von Koroliovs Einspielung der Kunst der Fuge zitiert. War diese Einspielung im Jahre 1990 eine der ersten Tacet-Produktionen überhaupt, so hat Koroliov seitdem zwar eine ganze Reihe von Bach-CDs mit den Goldberg-Variationen, beiden Bänden des Wohltemperierten Klaviers und den Französischen Suiten folgen lassen. Insgesamt aber lässt und nimmt sich Koroliov Zeit für neue Einspielungen, und nachdem (wenn man so will: erst) 2020 die Partiten Nr. 1, 2&6 erschienen, folgen auf dem jüngsten Album nun ihre drei Schwesterwerke (Nr. 3 bis 5).
Eminente innere Ruhe und Gelassenheit
Gleichsam also über die Jahre „gereift“, sind auf diese Weise Einspielungen von höchster Vergeistigung und Verinnerlichung entstanden. Koroliovs Bachspiel zeichnet sich durch eine eminente innere Ruhe und Gelassenheit aus, getragen von einem warmen, sanft leuchtenden Timbre und eher verhaltenen Tempi, sehr melodisch und kantabel gehalten, dabei gleichzeitig die polyphonen Strukturen mit eindrucksvoller Souveränität und Klarheit herausarbeitend. Hier werden die Stimmen mit größter Sorgfalt gegeneinander abgestuft, dialogisieren miteinander, treten hervor und wieder zurück, beseelt in jedem Detail. Dabei spielt Koroliov grundsätzlich einen durchaus freien Bach mit einigem Rubato, manchmal auch kurzzeitigen Tempowechseln, gerade in den Eröffnungssätzen mitunter improvisatorisch-tastend anmutend, mit viel Sinn für die Breite an Klangfarben, die ein moderner Flügel bieten kann. Man höre nur etwa den wie entrückt, fast flageolettartig anmutenden Beginn der Sarabande der Partita Nr. 4!
Famose Darstellung der Charakteristik der Musik
Insgesamt betont Koroliov weniger den Tanzcharakter der einzelnen Sätze, sondern abstrahiert eher von diesem und interessiert sich vielmehr für die Charakteristik der Musik. Exemplarisch hierfür können u.a. die drei Giguen am Ende der Partiten stehen. Die beiden Pole bilden dabei diejenige der Partita Nr. 4, die Koroliov hell-extrovertiert, vorwärtstreibend und betont motorisch versteht – wohlgemerkt nicht im Sinne eines die Extreme suchenden Interpretationsansatzes, wohl aber im Kontext seiner eigenen Einspielung, etwa, indem er hier anders als sonst weitgehend auf Rubato verzichtet – und auf der anderen Seite diejenige der Partita Nr. 3, die er viel weicher, zurückgenommener, sicher auch zögernder versteht. Interessanterweise ist diese Gigue einer von nur drei Sätzen auf dieser CD, bei dem Koroliov auf die Wiederholung des zweiten Teils verzichtet (die beiden anderen sind die Courante und die Sarabande der Partita Nr. 4), womöglich um der Aufhellung am Schluss eine gewisse Singularität zu verleihen.
Souveräne gestalterische Kraft und Variabilität
Ansonsten demonstriert Koroliov bei den zahlreichen Wiederholungen souveräne gestalterische Variabilität, auch, aber nicht nur und schon gar nicht exzessiv in Form von Verzierungen (die Koroliov ohnehin immer wieder gerne einflicht, dabei stets sehr geschmackvoll und wohldosiert vorgehend). Eigentlich ist es vor allem ein Spiel mit subtilen Wechseln der Charakteristik der Musik, das Koroliov hier treibt, gestaltet durch flexible Agogik, Wechsel in der Artikulation oder der Lautstärke, Einbau von Arpeggien oder ganz leichten Varianten im Notentext. Sehr schön zu beobachten ist dies etwa im ersten Teil der Ouvertüre der Partita Nr. 4: ausgehend vom prachtvollen, bei Koroliov eher mit einem sanft-festlichem Leuchten versehen als auftrumpfend, atmet die Musik bis zum Doppelstrich in einem großen, meisterhaft zelebrierten Bogen aus, um diese Bewegung dann im zweiten Anlauf mit einer Spur mehr Introspektion, mehr Nachsinnen noch einmal nachzuvollziehen.
Ein großartiges, sehr stimmiges Album
Was aber bei alledem fast am meisten fasziniert, ist Koroliovs enormes Gespür für die richtige Dosis: niemals wirkt sein Ansatz forciert oder schematisch, niemals deutet er mit dem Zeigefinger auf etwas, sondern spürt mit größter Subtilität und Inspiration feinen Nuancen nach, wobei er stets zuallererst die Musik sprechen lässt, ihrem natürlichen Fluss Raum gibt. Trefflich gelungen auch der eher kurze, aber anregende, das Augenmerk auf einige sorgsam ausgewählte Aspekte lenkende Begleittext von Thomas Seedorf. Ein großartiges, sehr stimmiges Album, im Übrigen auch klanglich vorzüglich, mit einer räumlichen, den Klang des Flügels sanft zur Entfaltung bringenden Akustik.
Holger Sambale [24.12.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Partita Nr. 4 D-Dur BWV 828 | 00:32:08 |
8 | Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827 | 00:22:07 |
15 | Partita Nr. 5 G-Dur BWV 829 | 00:23:29 |
Interpreten der Einspielung
- Evgeni Koroliov (Klavier)