Danza
Danses médievales
Ricercar RIC 274
1 CD • 69min • 2007
13.03.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mittelalterliche Tänze: Wer denkt da nicht an heutige Mittelaltermärkte, auf denen Spielmannsleute in Gewändern zweifelhaften Reinlichkeitszustandes herumspringen, wo selbstgebackene Fladen mit Schmand angeboten werden, bei denen man sich vorsehen muss, nicht auf ein Stückchen Mahlstein zu beißen und sich einen Zahnarztbesuch einzuhandeln, und wo die Ohren des Publikums ein wenig mit Blockflötenmusik gefoltert werden – hier mag sich der Besucher selbst in ein Gemälde des Bauern-Breughels versetzt wähnen. Dieser Bauern-Breughel hat allerdings mit dem Mittelalter ungefähr so viel zu tun wie Martin Luther mit Voltaire, und mindestens der gleiche Zeitraum trennt den deutschen Reformator vom französischen Aufklärer wie das Mittelalter von der Epoche Breughels.
Das Ensemble Millenarium hat uns auf seiner neuesten CD faszinierende Klänge aus dem echten Mittelalter anzubieten, und zwar aus der letzten Zeit dieser an Veränderungen reichen Epoche: Sie hat ihren Namen ja nur von späteren Besserwissern erhalten, die nach einem Namen suchte für die dunkle Lücke, die zwischen der von ihnen verehrten Antike und ihren neuen Zeiten des „wiedererwachten Geistes“ klaffte (so sahen sie es jedenfalls selbst).
Heute haben wir zum Glück einen besseren Begriff von diesen an Erfindungen und Entwicklungen reichen Jahrhunderten – und diese CD leistet ebenfalls ihren Beitrag zu einem differenzierteren Bild des Mittelalters. In vorbildlicher Weise widmet sich das Ensemble Millenarium hier der Instrumentalmusik, die sich erst im Laufe der ersten Jahrhunderte des zweiten Jahrtausends aus der dienenden Rolle der Begleitung zu Vokalmusik befreite und ein eigenständiges Genre wurde. Die Tanzmusik eignet sich besonders dazu, die Musik der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite, gewissermaßen von Kaiser und König bis zum Bettelmann, darzustellen. Vergnügte Springtänze und instrumental aufgeführte Tanzlieder führen vom Tanz auf der Dorfwiese bis zum höfischen Vergnügen im Burghof. Und von Springtänzen bis zu Tristans Klage geht es durch ein reiches Spektrum der Gefühle, die ja nicht erst in der Romantik entstanden sind. Auch die Virtuosität ist keine Erfindung der Zeiten, die begannen, einen Kult um fingerfertige Solisten à la Franz Liszt zu entfalten; es gehört mehr als solide Beherrschung der Instrumente dazu, diese zeitweilig komplizierten Tongeflechte im Ensemble zum Klingen zu bringen!
So wird diese CD zu einer ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Reise in eine immer noch zu wenig bekannte europäische Vergangenheit.
Detmar Huchting [13.03.2009]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Anon. | ||
1 | Totz altres joys | 00:04:52 |
2 | A que as cousas coitadas | 00:03:02 |
3 | Trotto (mittelalterlicher Spielmannstanz) | 00:02:31 |
4 | La quarte estampie royal | 00:02:12 |
5 | Nota sebissa | 00:02:28 |
6 | Estampita sirena | 00:02:50 |
7 | Principio di virtù | 00:06:46 |
8 | La Manfredina e sua rota (London British Library, MS. Add. 29987, Ca. 1340-1400) | 00:02:57 |
9 | Saltarello IV | 00:02:17 |
10 | La septime estampie real | 00:02:32 |
11 | Danse angloise | 00:01:56 |
12 | Saltarello VIII | 00:02:19 |
13 | Nota manta | 00:08:06 |
14 | Lamento di Tristano e sua rota (London, British Library, MS. Add 29987, ca. 1340-1400) | 00:05:44 |
15 | Da che Deus mamou | 00:01:49 |
16 | Saltarello Petits riense | 00:01:29 |
17 | Amors m'est u cuer entree | 00:03:35 |
18 | Lamento du Val fourni | 00:04:23 |
19 | Ghaetta | 00:06:40 |
Interpreten der Einspielung
- Millenarium (Ensemble)