
CAvi-music 8553202
1 CD • 76min • 2009
11.11.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dass das Tetzlaff Quartett ein besonders inniges Verhältnis zu Arnold Schönbergs ausuferndem Streichquartett d-Moll hat, spürt man bereits beim ersten Hören. Dass es sich bei diesem 1907 uraufgeführten Werk gewissermaßen um die verfassungsgebende Komposition des Ensembles handelt, erfahren wir aus dem Booklet: Vor sechzehn Jahren trafen sich die vier, um sich bei einem Kammermusik-Festival über das letztlich früh-Schönbergische, mithin hypertrophe Gebilde herzumachen und ihm erstmals seine tieferen Geheimnisse zu entlocken - und seither ist nach allem, was man in der vorliegenden Rundfunk-Produktion aus Bremen mitgeteilt bekommt, eine derart intime Kennerschaft entstanden, dass man sich schlagartig in die Zeit der Secession, der Caféhaus-Literaten, des dichterischen Impressionismus à la Peter Altenberg und den immer weiter um sich greifenden Theorien eines gewissen „Liebes=Freud" versetzt fühlt. Die gesamte Wegstrecke des 45-minütigen Gebildes ist erfüllt von der vibrierenden Spannung eines ebenso unzufriedenen wie provokanten Künstlers, der in seiner kammermusikalischen Partitur praktisch alles unterbringen will - ähnlich wie es sein Vorbild Johannes Brahms seinerzeit in seinem ersten Klavierkonzert getan hatte und wie es wohl jedem relativ jungen Komponisten schon einmal (beinahe) passiert ist: Das soll der ganz große Wurf werden, der Stein des Weisen, mit dem man die seit Jahrzehnten nicht mehr geputzten Fenster menschenleerer Museen einschmeißen will, die schöpferische Kernspaltung, die - wo eh schon „alles hin ist" - die Atmosphäre reinigt, um „luft von anderen planeten" hereinzulassen ...
So erlebe ich jedenfalls dieses Werk in dieser Interpretation, und es ist gut, dass bei der Kopplung die grandios-reifen Voces intimae des großen Jean Sibelius vor- und nicht hintan gestellt wurden: Auch das ist fein ziseliert, in den schwirrenden Silberfäden des Vivace betörend, in der stampfenden, hinreißend perkussiv herausgeprügelten Ekstase des Allegro-Finales geradezu unwiderstehlich - doch die ganze Wärme, Innigkeit und Innerlichkeit etwa des Mittelsatzes könnte ich mir noch um einiges glühender, persönlicher, im wahrsten Sinne des Wortes teilnehmender vorstellen. Da es allerdings nicht möglich ist, bei der Benotung der interpretatorischen Leistung halbe Punkte abzuziehen, bitte ich, dieses im letzteren Falle zu tun und ansonsten die 10 für die musikalische Seite der Veröffentlichung zu akzeptieren. Klanglich ist mir das Resultat ein wenig zu scharfkantig, aber auch diesbezüglich bedarf es der kritischen Axt nicht.
Rasmus van Rijn [11.11.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Jean Sibelius | ||
1 | Streichquartett d-Moll op. 56 für 2 Violinen, Viola und Violoncello (Voces Intimae) | 00:29:55 |
Arnold Schönberg | ||
6 | Streichquartett Nr. 1 d-Moll op. 7 | 00:45:32 |
Interpreten der Einspielung
- Tetzlaff Quartett (Streichquartett)