Magdalena Kozená
Lettere Amorose
DG 477 8764
1 CD • 62min • 2009
22.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ist Magdalena Kozená die Schreiberin oder die Empfängerin der bewussten Liebesbriefe, die der Titel ihrer neuen CD Lettere Amorose suggeriert? Das Coverbild mit den pathetisch hingeworfenen Blättern deutet eher auf die letztere hin. In der Tat, es wird in diesen Arien des italienischen Frühbarocks aus dem 17. Jahrhundert vor allem gelitten – sehr lustvoll gelitten, um genau zu sein. Erträumte und erhoffte, doch letztlich unerfüllte Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch die meisten der zwölf Gesänge. Obwohl ein Stück von Claudio Monteverdi der CD den Titel gegeben hat, kommt der Großmeister dieser musikalisch so ergiebigen Epoche bloß mit einem kurzen Ausschnitt zu Ehren. Die andern Kostproben stammen von mehr oder minder bekannten Komponisten (etwa Giulio Caccini und Sigismondo d’India), aber auch von kaum vertrauten Tonschöpfern wie Tarquinio Merula oder Biagio Marini oder dem nach Rom verschlagenen Deutschen Girolamo Kapsberger.
In ihrer frühen Entwicklungsphase hat sich die gebürtige Brünnerin Kozená offenbar ausführlich mit dieser rund vierhundert Jahre alten Tonsprache befaßt. Für die inzwischen zum Weltruhm aufgestiegene Säängerin bedeutet es somit eine Art Rückkehr zu den Wurzeln, ergänzt jetzt mit vermehrtem Wissen um stilistische Eigenheiten des historischen Musizierens. Darin weiss sich die Sängerin einig mit dem begleitenden Ensemble Private Musicke. Es kommen vor allem Zupfinstrumente zu ihrem Recht, darunter die Langhalslauten der Theorbe und des Colascione. Eingeschlossen natürlich improvisatorische Freiheiten – das gilt für die Instrumente wie für die menschliche Stimme (die aufnahmetechnisch freilich eine Spur zu sehr dominiert). Kozenás warmer, ausdrucksvoller Mezzosopran kann neben dem Affektreichtum gerade auch seine Beweglichkeit vorführen: ein ausgesprochen sinnliches Vergnügen.
Der Höhepunkt dieser CD und zudem ein weiblicher Schulterschluß findet sich im L’Eraclito amoroso von Barbara Strozzi. Das ist so etwas wie ein mit erlesenem Raffinement in die tönende Szene gesetzter Opernauftritt – die Skala reicht von kaum verhüllter Leidenschaft bis zum genussvoll ausgekosteten Liebesschmerz. Da ist die bühnenerfahrene Magdalena Kozená voll in ihrem Element: wie Ekstase und Begeisterung zerfallen, wie aus Melodien Seufzer werden – die Sängerin taucht den emotionalen Zerfall in betörende Melismen. Die Kunst der Verzierung als seelisches Abbild, vielleicht hie und da ein wenig manieriert, aber in ihrer puren Schönheit anrührend.
Mario Gerteis † [22.10.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Filippo Vitali | ||
1 | O bei lumi (Musiche a una e due voci, Libro secondo, 1618) | 00:02:56 |
Sigismondo d' India | ||
2 | Cruda Amarilli (Primo libro di musiche da cantar solo, 1609) | 00:02:56 |
Claudio Monteverdi | ||
3 | Si dolce è il tormento (Quarto scherzo delle ariose vaghezze, 1624) | 00:03:30 |
Giulio Caccini | ||
4 | Odi, Euterpe, 'l dolce canto (Le nuove musiche, 1601/02) | 00:03:28 |
Luis de Briçeño | ||
5 | Caravanda Ciacona | 00:01:41 |
Tarquinio Merula | ||
6 | Canzonetta spirituale sopra alla nanna Hor ch'è tempo di dormire (Curtio precipitato et altri capricii, Libro secondo, 1638) | 00:08:42 |
Gaspar Sanz | ||
7 | Canarios (Instrucción de música sobre la guitarra española, 1674) | 00:03:15 |
Sigismondo d' India | ||
8 | Ma ché? Squallido e oscuro (Primo libro di musiche da cantar solo, 1609) | 00:02:44 |
Biagio Marini | ||
9 | Con le stelle in ciel (aus: Scherzi e canzonette op. 5) | 00:04:22 |
Giovanni Girolamo Kapsberger | ||
10 | Felici gl'animi (Libro quarto di villanelle, 1623) | 00:02:57 |
Giovanni de Macque | ||
11 | Capriccio stravagante | 00:01:43 |
Giovanni Girolamo Kapsberger | ||
12 | Aurilla mia, quando m'accesse (Libro secondo di villanelle, 1619) | 00:03:17 |
Sigismondo d' India | ||
13 | Torna il sereno zefiro, e gli augellini garruli (Quinto libro di musiche da cantar solo, 1623) | 00:02:44 |
Giovanni Paolo Foscarini | ||
14 | Ciacona (Primo libro di musiche da cantar solo, 1609) | 00:01:48 |
Barbara Strozzi | ||
15 | L' Eraclito amoroso - Udite amanti (aus: Cantate, ariette e duetti op. 2) | 00:07:56 |
Lucas de Ribayaz | ||
16 | Espagnoletta (Luz y norte musical para caminar, 1677) | 00:02:54 |
Tarquinio Merula | ||
17 | Folle è ben chi si crede (Curtio percipitato et altri capricii, Libro secondo, 1638) | 00:03:54 |
Interpreten der Einspielung
- Magdalena Kožená (Mezzosopran)
- Private Musicke (Ensemble)
- Pierre Pitzl (Leitung)