Tudor 7170
2 CD/SACD stereo/surround • 1h 44min • 2010
27.07.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als Jonathan Nott und die Bamberger Symphoniker sich mit Gustav Mahlers neunter Sinfonie präsentierten, erschienen zeitgleich in einem Schweizer Fachmagazin die Betrachtungen des Dirigenten zur Atmosphäre, Geographie und Auswirkung Toblachs auf das ganz spezielle Werk, über deren Stichhaltigkeit man zwar wird streiten können, die aber letztlich doch eine persönliche Sache zwischen dem Interpreten, dem Komponisten und der Landschaft sind. Während ich mich nun mehrere Male, teils mit, teils ohne Partitur durch die Dritte und vor allem ihren kapitalen Kopfsatz gehört habe, drängte sich mir der Verdacht auf, dass Nott vor dieser Produktion den entsprechenden Lokaltermin nicht absolviert hat: Ich wage nämlich zu behaupten, dass dort, unter dem voralpinen Massiv des Höllengebirges, auf den Wiesen hinauf zur Großalmstraße, unten im Komponierhäusl, das direkt am Wasser liegt – dass also in dieser inspirierenden Gegend alles nach Mahler klingt, seit der sich dort zur Arbeit an seiner zweiten und dritten Sinfonie aufhielt. Schon bei der Annäherung von Norden her klingt's wie zehn Hörner, und wer nachher die Ohren spitzt, der hört unter den weiten Matten, im Insektengesumm und dem leisen, monotonen Klatschen des noch immer erstaunlich sauberen Seewassers mancherlei, dessen Rhythmus, Farbe und Melodie sich irgendwo in den Noten und Klängen niedergeschlagen hat.
Praktisch betrachtet will es mir scheinen, als habe Jonathan Nott einen inneren Zugang insbesondere zu dem großen „Sommerfest", mit dem die dritte Sinfonie beginnt, nicht gefunden. Das gewaltige instrumentale Schauspiel mit seinen szenischen Anweisungen, seinen hervortretenden, übrigens in dieser Aufnahme durchgängig vorzüglichen Soli und dem zwar zurückgezogenen, nie aber „hinauskomponierten" Programm, das über die „etwas" vergrößerte Sonatenhauptsatzform mit langsamer Einleitung liegt – dieses gigantische und so überaus liebenswürdige Extremgebilde gibt sich hier als eine vielfach geglättete Reihung, in der die eine oder andere penible Tempoanweisung des Komponisten vermißt und auch der Raum nicht in jener Tiefe ausgelotet wird, die nötig wäre, damit „alles aus weitester Ferne" sich nähern und sich dorthin auch wieder verlieren kann.
Besser geraten die kleineren Formate: Das blumige Menuett und das inwendig gespannte, verhalten heitere Scherzo vom Kuckuck, der sich zu Tod gefallen, sind ebenso schlüssig wie das herzige „Bimm-Bamm" von den drei Engeln, und im Altsolo – sehr passend die Stimme von Mihoko Fujimura – bemüht man sich um eine Innigkeit, die durch den immer wieder anweisungsgemäß heraufgezogenen „Naturlaut", ein Glissando in Oboe bzw. Englischhorn, eine ganz befremdliche Note erhält. Das abschließende, von Nott auf 26 Minuten gedehnte Adagio nähert sich mir dann allerdings wieder verdächtig dem Nebeneinander schöner Momente, wo es sich wie eine riesige, nahtlos alles überwölbende Kuppel auftun sollte. „Was mir die Liebe erzählt" war dieser Satz bekanntlich überschrieben, bevor Mahler aus Sorge vor Mißdeutungen auch diesen Titel über Bord warf. Hätte er ihn doch nur behalten!
Rasmus van Rijn [27.07.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 d-Moll |
Interpreten der Einspielung
- Mihoko Fujimura (Alt)
- Bamberger Symphoniker - Bayerische Staatsphilharmonie (Orchester)
- Jonathan Nott (Dirigent)