Pervez Mody plays Scriabin

Thorofon CTH 2579
1 CD • 66min • 2010, 2009
23.08.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das erste Scriabin-Album von Pervez Mody bot eine Zusammenschau verschiedenster Genres im Klavierschaffen des exzentrischen Russen, der Nachfolger präsentiert sich in der Werkauswahl deutlich konzentrierter: neben den großen Sonaten Nummer 1 und 9 widmet sich der indische Pianist darauf den (so gut wie nie gespielten) frühen Mazurken. Markieren diese den Anfang von Scriabins Komponistenleben, so steht die neunte Sonate mit dem Beinamen „Schwarze Messe" am Endpunkt einer langen persönlichen und künstlerischen Entwicklung. Diese Transformation Scriabins vom sensiblen Spätromantiker zum auf dem schmalen Grat zum Wahnsinn balancierenden Propheten kommt im Ausmaß ihrer Radikalität wohl nur derjenigen Beethovens gleich – und wie bei jenem besitzen seine ganz großen Würfe im inneren Kern einen starken, zutiefst persönlichen Glaubenssatz. Nur liegen dessen Fundamente weit unter den Noten begraben, und nur den wenigsten Interpreten ist es gegeben, ihn wieder auferstehen zu lassen.
Pervez Mody findet auch auf dem zweiten Band einen fantasievollen, überaus kreativen Zugang zu Scriabin. Am stimmigsten gelingt ihm die Sonate op.6, einem viersätzigen Monstrum, das zwar kraftmeierisch-überspannt beginnt, letztlich aber unaufhaltsam auf die ohnmächtige Qual des finalen Trauermarsches hinsteuert. In der Sicherheit dieser eindeutigen dramaturgischen Basis agiert Mody stimmig und beredt. Vieles gelingt ihm dabei absolut überzeugend: die Verzweiflung des zweiten Satzes etwa oder der trotzige Aufschwung des Presto, der bereits erste Anzeichen von Selbstzerstörung zeigt. Allerdings weist die Sonate im Detail bereits interpretatorische Allüren auf, die problematisch sind in bezug auf rhythmische Strenge, dem konzentrierten Ausfüllen langer Klänge sowie im Differenzieren zwischen Angedeutetem und Konkretem.
Waren die Preludes op.11 für mich das Highlight auf Modys erster Scriabin-CD, so sind auf der zweiten die Mazurken op.3 der Schwachpunkt, obwohl sie den Preludes eigentlich wesensverwandt sind: beide Kompositionen fußen substantiell auf Chopins Idiom, auch wenn sie mit ihm spielen, es variieren, fortführen und übersteigern. Mody scheint aus den Mazurken etwas anderes, möglicherweise Bedeutenderes, machen zu wollen als sie nun einmal sind; er unterbricht immer wieder den Spielfluß, um kapriziöse Details ans Licht zu bringen, die aber nicht zur Erhellung beitragen, sondern im Gegenteil die knappe, klare Prägung der romantischen Miniatur zersetzen.
Bei der neunten Sonate heftet sich Mody wieder wesentlich überzeugender an Scriabins Fährte und liefert eine konzentrierte Interpretation, die geprägt ist vom lustvollen Erleben der Perversionen dieses Werkes. Doch dessen letzte Ebene erschließt sich ihm nicht, möglicherweise weil er sich auch hier den musikalischen Kräften nicht unterwirft, sondern sie sich zu unterwerfen trachtet. Dadurch fehlt der Dämonie eine entscheidende, subkutane Dimension, welche heraufzubeschwören zugegebenermaßen nur den Allerwenigsten gegeben war und ist. Alexander Nikolajewitsch Scriabin erweist sich ein weiteres Mal als die am härtesten zu knackende Nuß der Klavierliteratur.
Henri Ducard [23.08.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alexander Scriabin | ||
1 | Klaviersonate Nr. 1 f-Moll op. 6 | 00:24:49 |
5 | Mazurka h-Moll op. 3 Nr. 1 – Tempo giusto | 00:04:03 |
6 | Mazurka fis-Moll op. 3 Nr. 2 – Allegretto non tanto | 00:01:49 |
7 | Mazurka g-Moll op. 3 Nr. 3 – Allegretto | 00:01:49 |
8 | Mazurka E-Dur op. 3 Nr. 4 – Moderato | |
9 | Mazurka dis-Moll op. 3 Nr. 5 – Doloroso | 00:03:37 |
10 | Mazurka cis-Moll op. 3 Nr. 6 – Scherzando | 00:02:08 |
11 | Mazurka e-Moll op. 3 Nr. 7 – Con passione | 00:03:31 |
12 | Mazurka b-Moll op. 3 Nr. 8 – Con moto | 00:02:42 |
13 | Mazurka gis-Moll op. 3 Nr. 9 | 00:02:36 |
14 | Mazurka es-Moll op. 3 Nr. 10 – Sotto voce | 00:05:39 |
15 | Klaviersonate Nr. 9 op. 68 (Schwarze Messe) | 00:08:26 |
Interpreten der Einspielung
- Pervez Mody (Klavier)