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Besprechung CD

Acousence Classics ACO-CD 11212

1 CD • 60min • 2012

11.04.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Man möchte in diesen Zeiten der globalen Musikversorgung geradezu in Deckung gehen, vor all den jungen und jüngsten Pianisten. Aus allen regionalen und internationalen Richtungen werden sie via Compact Disc und Konzertdebüt auf Überzeugungstour geschickt. Was diesen oft schon gefeierten, nicht nur in ihrer Heimat gefragten und zweifellos bereits mehrfach ausgezeichneten Interpreten einmal die Zukunft bringen wird, das bleibt – wie es bei Leonard Bernstein so passend heißt – so etwas wie „Musik, die offene Frage". Hier nun ist es die 26jährige Moskauerin Daria Kameneva, die sich anschickt, die Podien der Welt zu erobern. In ihren biographischen Notizen wird als ihr Mentor am Moskauer Tschaikwsky-Konservatorium ein gewisser Stanislav Igolinsky genannt – und damit sind wir auch schon bei dem anfangs angesprochenen Thema. Ich erlebte den jungen Igolinsky in den 70er Jahren als eigenwilligen, ja extravaganten Musiker. Er spielte damals in Brüssel das B-Dur-Konzert von Brahms. Die Juroren des Concours Reine Elisabeth setzten ihn auf den zweiten Rang – für viele der Zuhörer, mehr noch: für die Mehrheit der passionierten Wettbewerbszuhörer im Verlauf der Finalwoche eine enttäuschende Platzierung.

Ich hatte in den späteren Jahren nur einmal Gelegenheit, Igolinsky „live" zu erleben. Er verschwand von der internationalen Hörbildfläche. Was immer auch die näheren Gründe, die persönlichen Umstände für diese Abwesenheit zumindest auf mitteleuropäischen Podien gewesen sein mögen, der Rückzug in eine pädagogische Umgebung und damit in eine sozial gesicherte Position sind typisch für zahllose Blitzkarrieren und Raktenstarts mit sanfter bis harter Landung in einer beruflich zunächst unerwünschten Situation.

Daria Kameneva wage ich gute Zukunftsaussichten zu prophezeien. Ihr Brahms-Spiel, ihr Empfinden und formendes Gestalten weisen sie als intelligente Pianistin aus, die zur Stützung und Ausarbeitung ihrer grundlegenden farblichen und figurierenden Vorstellungen über eine sichere Technik verfügt. Brahms' Sonate Nr. 2 in fis-Moll ist bekanntlich ein sperriges, in seinen dynamischen Wellenformationen, mehr noch in seinen expressiven Brüchen und Schichtungen ein physisch nicht sehr angenehmer Komplex. Wer sich wie Kameneva jedoch den – wie in Chopins fis-Moll-Polonaise! – aufwärts hangelnde Oktavserien, den verschachtelten Trillerkombinationen und den zärtlich-herben Wechselfällen des ausgreifenden Andante-Satzes gewachsen zeigt, dem darf man für seine kommenden Projekte guten Gewissens grünes Licht geben.

Wie sanft und gewissermaßen streichelnd Daria Kemenva ihr Instrument zu behandeln versteht, zeigt das e-Moll-Intermezzo aus op. 119,2. Hier findet sie wie auch in den anderen zurückhaltenden Miniaturen ihres Programmes einen ganz speziellen „Ton", den ich ganz allgemein mit einem für die brahmsische Musik typischen Klang, mit einem ihr angemessenen Duft und Aroma verbinde. Es gelingt ihr auch, manches von dieser einprägsamen Vorsicht, von den Wirkungen gleichsam indirekter Beleuchtung in die strafferen, rhythmisch akzentuierten Passagen einfließen zu lassen. Dies gilt für die gesammelte Kraft, mit der sie die finale Rhapsodie op. 119,4 und die etwas strengeren Abschnitte der D-Dur-Variationen op. 21 ins Auge fasst und zugleich wie gefordert in die Hand nimmt. Was die fis-Moll-Sonate anbelangt, so bleibt die kämpferisch ausgereizte, schier überschwappend virtuos ausgelebte Decca-Version des Fieber-Pianisten Julius Katchen erste Wahl. Kemenvas Deutung stufe ich auf einer imaginären Rangtliste in die Nähe der vielleicht etwas zu klinischen DG-Variante mit Krystian Zimerman ein.

Vergleichsaufnahmen: Op. 2 – Edith Fischer (Claves LP 30-375), Kirschnereit (Amati SRR 9006/1; Arte Nova 74321 97433 2), Zimerman (DG LP 423 401-2), Leonskaja (Teldec 2292-46450-2), Bashkirov (Harmonia mundi France LP HMC 5167), Grimaud (Denon CO-73336), Boyde (Oehms OC 584), Rittner (MDG 904 1494-6), T. Krämer (Coviello classics COV 50913), Mezzena (Nuova Era 6703), Vogt (EMI 557392 2), Katchen (Decca LP SDDA 261-9)

Peter Cossé † [11.04.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johannes Brahms
1Klaviersonate Nr. 2 fis-Moll op. 2 00:26:58
5Variationen über ein eigenes Thema op. 21 Nr. 1 00:11:34
6Intermezzo b minor op. 119 No. 1 – Adagio 00:04:14
7Intermezzo e minor op. 119 No. 2 – Andantino un poco agitato - Andante grazioso - Tempo primo
8Intermezzo C major op. 119 No. 3 – Grazioso e giocoso
9Rhapsodie E flat major op. 119 No. 4 – Allegro risoluto

Interpreten der Einspielung

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